www.szene.it
Corona Zukunft

 

Virus - eine Retrognose

Der Blick aus der Zukunft in die SARS CoV2 / Covid-19-Ära

 

Ein Beitrag von Klemens Maria Riegler für www.szene.it
Längerer Text zum Lesen - wer grad Zeit übrig hat.

Siehe auch: Das Gute an Corona oder
Ein Prognose-Versuch: WirUs-Zukunft -
Wir müssen reden - JETZT ... Ich will nicht zurück -

 


Ein Rückblick in unsere Zeit - SCHÖNE NEUE WELT

von Klemens Maria Riegler - erstellt ab 23.3.2020

11.  Juni 2021
Ein Blick zurück ... auf eine schlechtere Welt

Auch als PDF downloadbar - oder lesbar: http://www.szene.it/subpage/11-Juni-2021.pdf
Oder aufgeteilt in 3 Kapitel - 11. Juni 2021 - 12. Juni 2021 - 13. Juni 2021 -
Erschienen auch als Kurzfassung im Wochenmagazin FF in der Printausgabe vom 23. April 2020
Ebenfalls erschienen als 7-Teiler im FF-Online-Portal unter dem Titel "Schöne, neue Welt ... 2020-2021"
https://www.ff-bz.com/gesellschaft-wissen/2020-17/schoene-neue-welt-teil-1-7.html -
https://www.ff-bz.com/gesellschaft-wissen/2020-17/schoene-neue-welt-teil-2-7.html -
https://www.ff-bz.com/gesellschaft-wissen/2020-17/schoene-neue-welt-teil-3-7.html -
https://www.ff-bz.com/gesellschaft-wissen/2020-17/schoene-neue-welt-teil-4-7.html -
https://www.ff-bz.com/gesellschaft-wissen/2020-17/schoene-neue-welt-teil-5-7.html -
https://www.ff-bz.com/gesellschaft-wissen/2020-17/schoene-neue-welt-teil-6-7.html -
https://www.ff-bz.com/gesellschaft-wissen/2020-17/schoene-neue-welt-teil-7-7.html -

Schöne neue Welt - 2021 by Klemens Riegler

Ich sitze hier im Schatten einer großen Zeder beim Cafe St. Anton auf den Talferwiesen in Bozen. Die Sonne scheint, es ist warm, fast heiß. Der „Liscio“ ohne Zucker ist besser als früher. Zumindest kommt es mir so vor. Vielleicht hat der Pächter Kaffeesorte gewechselt oder vielleicht schmeckt er mir heute einfach nur besser. Es ist relativ ruhig hier. Ich höre verschiedenste Vögel zwitschern. Ich kenne mich da nicht so aus, aber ich habe den Eindruck dass es mehr Vögel sind ... und viel lauter. Im Mai vor zwei Jahren war ich auch hier. Okay, das Wetter war damals nicht so besonders, ich selbst ein wenig gestresst. Selbst das Kaffeetrinken erschien mir als Zeitverschwendung.  Letztes Jahr war zu. Da hat so ein Virus namens Corona oder Covid19 - andere bezeichneten es auch als SarsCov2 - das Leben so ziemlich entschleunigt um nicht zu sagen still gelegt. Das war nicht einfach. Soweit ich mich erinnere wurde schon Anfang März das öffentliche Leben schon langsam zurück gefahren. Anfangs mussten die Schulen schließen und fast täglich hat es anschließend alle Sektoren getroffen. Schon gegen Mitte-Ende März war alles zu was nicht mit Lebensmittelversorgung oder Medizin zu tun hatte. Logisch, der Tabacchino hatte auch offen. Auch dieses Promenaden-Kaffee war geschlossen. Uns wurde untersagt unsere Wohnungen zu verlassen um die Übertragungskette dieses Virus zu unterbrechen. Wir sind schlussendlich besser weggekommen als die Lombardei. Dort gab es abertausende von Toten. Meist ältere und kränkliche Menschen, aber auch jüngere waren dabei. Auch wir in Südtirol hatten bis Herbst einige Hundert Verstorbene zu beklagen. Auch eine Tante von mir, zwei  Nachbarn und einige weitere Eltern von Freunden und Bekannten sind dem Virus zum Opfer gefallen. Freilich, meine Tante war schon 87 und etwas gezeichnet. Aber sie war eigentlich sonst noch ziemlich selbstständig.  Sie starb zu Hause, weil es keinen Sinn mehr gehabt hätte sie intensivmedizinisch zu versorgen. Unter normalen Umständen hätte man es wohl versucht, aber das Bozner Krankenhaus und die Rettungsdienste waren ziemlich überlastet. 

Einige Leute schlendern vorbei. Sie scheinen gelassen, ihre Gesichter strahlen Zufriedenheit aus, sie sind fröhlich. Mir fällt auch auf, dass es nicht nur ältere Menschen sind die hier flanieren, sondern auch jüngere die scheinbar einfach nur des Spazierens wegen spazieren. Und nicht um von da nach dort zu gelangen.

Auf dem Nebentisch ist grad einer aufgestanden. Die Tageszeitung liegt dort. Auf der Titelseite winkt mir ein Fußball entgegen. Logisch, schließlich ist heute EM-Eröffnung.  Ja, auch den Sport hatte es letztes Jahr ordentlich erwischt. Alle Fußballspiele wurden abgesagt und diese Europameisterschaft ist eben auf heuer verschoben worden.  Auch die Olympiade in Tokio wurde ja letztes Jahr erst relativ spät auf heuer geschoben.  Mitte März wollte das IOC die Sommerolympiade ja noch bedingungslos durchziehen, aber es wäre wohl ein trauriges Schauspiel geworden, denn viele Athleten hatten mitgeteilt nicht nach Tokio zu fliegen. Diverse Landesverbände hatten sich anschließend ebenfalls vom IOC distanziert und ihr Fernbleiben angekündigt. IOC-Chef Thomas Bach musste dann die Reißleine ziehen und die Japaner auf heuer vertrösten.

Weil ich noch etwas Zeit habe werfe ich noch einen weiteren Blick in diese Zeitung. Ganz oben wird auf einen Artikel auf Seite 5 verwiesen. „Geburtenrate gestiegen“ steht dort. Auf der entsprechenden Seite verweist der Autor auf die neueste Statistik nach der die Geburtenrate sowohl in Italien wie  auch in Südtirol – nach Jahren in die andere Richtung – wieder etwas gestiegen sei. Auffallend seien die Monate Dezember bis März dieses Jahres. 

Ich blättere weiter während mir auffällt, dass dieses Lüftchen welches immer um diese Zeit aus dem Sarntal entlang der Talfer bis zum Virgl bläst heute recht erfrischend ist. Es ist warm ja, aber das Lüftchen tut echt gut. Es ist gute Luft, nicht so gut wie vor gut einem Jahr als Bozens Straßen leergefegt waren wie an einem dieser autofreien Sonntage die es seit einigen Jahren gab. Ich kann mich sogar erinnern, dass der Autobahnpräsident auf Rai-Südtirol gesagt hatte, dass am 19. März 2020 insgesamt nur 16 Autos auf dem Südtiroler Teilbereich der A22 unterwegs waren. Das hat es seit der Eröffnung der Autobahn nicht gegeben - also noch nie. Das Landesamt für Luft und Lärm meldete Ende März einen Rekordtiefststand bei den NO2, PM10 und PM2,5-Werten. Die Werte sind heuer wieder schlechter geworden, aber sind immer noch besser als 2019.
Dazu passt auch die Meldung die ich auf Seite 7 finde, wonach vielleicht die sinkende Anzahl an Patienten mit Atemwegsbeschwerden und damit zusammenhängenden Pathologien auf die bessere Luftqualität zurück zu führen sein könnten. 

Auf Seite 3 hatte ich vorher einen Beitrag über die Straßen-Infrastruktur übersehen. Ich lese dort, dass einige Großprojekte aufgeschoben werden müssten oder vielleicht gar nicht mehr realisiert würden. Laut neuesten Messdaten der Gemeinde Bozen sei die PKW-Frequenz nicht auf dem Niveau von 2020 aber es seien 15 Prozent weniger Fahrzeuge unterwegs als noch 2019. Zurück zu führen sei das auf die seit Herbst letzten Jahres eingeführten Maßnahmen in Sachen „Home-Office“.  Ich erinnere mich gut. In der Corona-Zeit wurden viele Mitarbeiter zur Arbeit „Zu Hause“ verdonnert. Aber nach der Krise hatte man verstanden, dass „Smart-Working“ sowohl für Arbeitgeber wie Arbeitnehmer durchaus vorteilhaft sein kann. Arbeitnehmer profitieren von der Zeitersparnis bei den täglichen Fahrten, Arbeitgeber haben glücklichere Angestellte und die Umwelt bedankt sich auch. Und nebenbei waren die Öffentlichen Kassen aufgrund der vielen Hilfsmaßnahmen natürlich auch leer. Auch darum wurden Großprojekte vorläufig aufgeschoben. 

Mein Smartphone vibriert - ich schaue auf meine Smart-Watsch - auf dem Display sehe ich, dass mein Investment-Fond im letzten Quartal wieder 4% zugelegt hat. Nein, ich habe nie viel spekuliert, aber meine Bank hatte mir bei der Null-Zinspolitik zu einer relativ sicheren Anlage geraten. Wahrscheinich mind. 2,5  bis 5% Rendite ... alles mehr als Null hatte man mir gesagt. Der Börsencrash hatte natürlich trotzdem mein Erspartes halbiert, aber schön langsam geht es wieder aufwärts. Bis ich wieder auf „Null“ bin, wird es wohl trotzdem noch dauern.  Und andererseits denk ich mir – und man sieht und hört das auch – ist Geld nicht mehr so wichtig wie vor Corona. Die Mieten sind wieder etwas gesunken und laut ASGB sind wir heute dem „leistbarem Wohnen“ schon viel näher.

Mein Smartphone klingelt – auf dem Display leuchtet „Franz“ ... hoi Franz, wia geats? olls guat bei dir?  .... Danke, jo jo alles bestens ... brauchsch eppes? ...  Nein, nein sagt er, er wolle nur mal fragen ob ich Lust auf ein Bier hätte. Ich meinte: Jo gern, seg mor ins afnocht im Schotzn-Heisl? Und dann denk ich mir ... ist doch schön, früher habe ich den Franz immer versetzt, weil ich keine Zeit hatte ... oder wollte ich mir die Zeit nicht nehmen? Egal, ich freue mich auf das Bier heute Abend, weil dort auch das EM-Eröffnungsspiel übertragen wird.  

Weil grad die Dolomiten frei wird und ich noch etwas Zeit habe, schnapp ich mir auch diese Zeitung. Auch die Dolomiten titelt mit der EM, und auch das Thema Mobilität findet sich auf der Titelseite. Demnach hat die Durchschnittsgeschwindigkeit in ganz Europa sowohl auf Autobahnen als auch auf Landstraßen abgenommen. Entsprechend sei auch der CO2-Ausstoß zurückgegangen. Da fällt mir ein, dass prinzipiell das Auto als Statussymbol abgenommen hat und dass rasen komplett verpönt ist. Vielleicht ist das auch auf die zunehmende Elektromobilität zurück zu führen. Diese cruisen ja sowieso viel sanfter über den Asphalt.  Und zum Schreck der fetten hoch-PSigen SUV-Fahrer werden diese jetzt nicht mehr bestaunt, sondern eher belächelt. Der Autobranche hat die Coronakrise freilich einen ordentlichen Dämpfer verpasst und das hat leider auch die Entwicklung der E-Mobilität eingebremst. Wobei auch die Menschen heute anders denken. Das Auto ist nur mehr Mittel zum Zweck – von da nach dort zu kommen, wenn es mit Fahrrad oder Öffis nicht geht. Viele haben selbst gar kein eigenes Auto mehr. Schließlich kostet es ja viel weniger für einige male ein Fahrzeug zu Mieten, als Tausende von sich selbst entwertenden Euros herum stehen zu haben. Schon wieder machen es die Chinesen mit neuen Miete- oder Nutzverträgen vor wie das geht.  Und wir haben seit Corona auch etwas weniger Geld auf dem Konto. Ich selbst überlege mir jetzt eher wie viel und wofür ich Geld ausgebe. Die Perspektive hat sich geändert und damit auch die Geld-Prioritäten. 

Zurück zur Dolomiten. Dort findet sich auf Seite 5 ein Beitrag über Europa. Ein Autor beklagt rückwirkend, dass Europa in der Corona-Krise nicht zusammen gestanden hat. Jedes Land und sogar einzelne Bundesländer seien komplett eigene Wege gegangen, hätten sich gegenseitig so gut wie überhaupt nicht unterstützt. Anstatt sich gegenseitig unter die Arme zu greifen wurden die Grenzbalken herunter gefahren. Protektionismus  pur! Sanitätskapazitäten hätten mobil verschoben werden können – im Gleichschritt mit der Ausbreitung des Virus. Das Gemeinsame Europa hätte versagt. Er erinnert daran, dass beispielsweise China, Russland und Kuba – alles ehemalige kommunistische Diktaturen - den Italiener zu Hilfe geeilt seien. Es gab nicht einmal am Anfang der Krise Hilfsangebote aus dem hochgerüsteten Deutschland, welches sieben Mal mehr Intensiv-Plätze als Italien verfügbar hatte. Die Solidarität unter den EU-Staaten hatte jedenfalls kläglich versagt, denn warum sollte ein italienischer EU-Bürger weniger wert sein als ein bundesdeutscher. Nur Österreich war zumindest ein kleinwenig uns Südtirolern zur Seite gesprungen, hat sogar einige Patienten übernommen. Etwas später - zu spät - hat endlich auch Deutschland einige Corona-Patienten aus der Lombardei übernommen. Italien, welches fast noch am Boden lag ist hinterher mit seinen Erfahrungen sehr wohl anderen Ländern zur Seite gesprungen.
Nur finanziell ist die EU mit dem EZB-Rettungsschirm dem jetzt noch höher verschuldeten Italien entgegen gekommen.  

In der Rubrik Weltgeschehen lese ich über eine Initiative für ein weltweites Verbot von Wildtierhandel. Ein längst überfälliger Schritt denk ich mir, wenn man nach wie vor davon ausgeht, dass dieses Virus (und auch einige vorher) letztes Jahr vom Tier auf den Menschen übergesprungen ist. Da fällt mir auch auf, dass das Virus sogar Bär und Wolf von den Titelseiten verscheucht hat. 

Einer weiteren Notiz entnehme ich, dass das Planetarium in Gummer in gewissen Nächten einen so klaren Blick in den Himmel hatte wie noch nie.  

Auf meinem Nebentisch wird es grad etwas lauter. Zwei Jugendliche und zwei wohl gut 30-jährige sitzen dort. Sie diskutieren über Corona. Das leicht alternativ gekleidete Mädel meint, dass Corona nur ein Wink mit dem Zaunpfahl gewesen sei. Ein Wink der Natur - soweit ich das mitbekomme. Ihr Gegenüber wirft ein, dass es nichts anderes war als eine Verschnaufpause für die überlastete Umwelt. Es gäbe kein einziges vergleichbares Beispiel in den letzten 50 Jahren in denen die Umweltverschmutzung dermaßen zurückgegangen sei. Der gut 30jährige wirft ein, dass sich die Natur damals innerhalb weniger Monate sehr gut erholt hätte. Die Frau neben ihm meint dann aber, dass die Welt daraus wohl zu wenig gelernt hätte. Es sei ja wieder fast alles beim Alten. Dem widerspricht die Jugendliche. Es sei schon etwas besser.  

Auf Seite 13 lese ich über die Vorschläge für das  Verdienstkreuz des Landes Tirol. Es wird heuer unter anderen an Dr. Maximilian Mustermann aus Bozen verliehen, der schon angekündigt hatte diesen nur im Namen aller anderen Ärzte die im Kampf gegen Corona im Einsatz waren annehmen zu wollen. Auch die Krankenpflegerin Anna Hofer wird das selbe im Namen ihrer Kolleginnen und Kollegen tun.  

Auf der Kulturseite der Dolomiten lese ich über Klassische Konzerte, Kulturausstellungen und auch einige Kurznotizen über das Internationale Kunst- und Popgeschehen. Besonderes Interesse erweckt ein Artikel über Herbert Pixner, der für August ein Konzert auf dem Rittner Horn angekündigt hat. Wenn ich diesbezüglich zurück denke, wird mir kalt ums Herz. 2020 war ein krasses Jahr. Von März bis weit in den Sommer hinein gab es eine generelle Konzertpause. Größere Veranstaltungen mit  mehreren Tausend Personen waren schließlich erst im Spätsommer möglich. Ich kann mir das heute fast nicht mehr vorstellen.  Zum Glück haben wir jetzt diesbezüglich wieder eine gewisse Normalität.  Wobei wir auch das nur dem in China entwickelten und in den USA zugelassenen Impfstoff Xisterostol zu verdanken haben. Ja freilich, auch dieses dem SARS-Medikament ähnliche Zostileran hatte in der Heilung gute Wirkung gezeigt und dem Virus die Angst genommen. Alternative Ärzte hatten sogar darüber berichtet, dass das immunstärkende Naturheilmittel Echonazin geholfen hätte. Alles hat schlussendlich auch die Sterberate auf eine Grippetot-Rate reduziert.  

Der Sportteil ist natürlich der EM gewidmet. Aber ich lese auch über Radsport, lokalen Fußball, Leichtathletik und finde eine Liste mit den italienischen Teilnehmern an der Olympiade in Tokio. 
Auf der letzten Seite schließlich auch noch ein Bericht über das legendäre Dolomiti-Superbike-Event, welches in einem Monat in Niederdorf stattfinden wird. Über 4000 Biker sollen sich wieder angemeldet haben.  Da fällt mir ein, dass zeitgleich doch immer auch das Musikfestival Rock am Ring auf den Ritten über die Bühne geht. Meine Töchter werden sich an diesem WE also wohl am Ritten austoben während ich mit dem Mountainbike durch die Pustertaler Berge trete.  Nein, ich habe mir kein neues Bike dafür gekauft. Mein altes tut es auch noch ... ganz im Sinne meiner Geld-Prioritäten.  Das EM-Endspiel am 11. Juli um 21 Uhr werden wir uns wohl alle ansehen. Die Gitschn auf einer Leinwand bei der Arena Ritten und ich mit meiner Frau auf dem Dorfplatz von Niederdorf.  

Hoppala ... fast die Zeit vergessen. Ich habe ja mit Franz im Schotzn-Heisl ausgemacht. Tom  zahlen.! ... Thomas und seine Eltern, die die Bar hier führen, haben die Coronakrise übrigens überlebt. Einige wenige andere Bars, Pub´s und Lokale haben leider zusperren müssen, aber viele sind wieder offen und arbeiten laut Aussagen meines Bruders recht gut. Der Umsatz ist nicht jener von 2019 aber nach dem gewaltigen Frühjahrsloch von 2020 ist es jetzt wieder halbwegs okay.  Tom spendiert mir übrigens meinen „Liscio“. 

Ich schwinge mich auf mein Fahrrad, fahre über die Talfermauer ganz langsam Richtung Süden, biege dort illegal links ab, fahre auf dem Gehsteig (gegen die Einbahn) in die Museumstraße und denke mir dabei wie brav und „legal“ wir doch in der Corona-Zeit waren. Wir haben größtenteils die Anordnungen von Ministerpräsident Conte und Landeshauptmann Kompatscher befolgt. #ichbleibzuhause war angesagt. Eigentlich total absurd, freiheitseinschränkend und demokratiepolitisch illegal. Aber wir hatten uns damit abgefunden, es war gar nicht so schlimm. 
Museumstraße, Obstmarkt, Vintlergasse ... alles wie immer hier ... Radl abstellen und hinein in den Innenhof des Schotzn-Heisl. Ich sehe den Franz der zu Glück einen Tisch reserviert hatte. Da sehe ich auch noch die Susi, den Lenz, Rupi, Günther, Flori, die Vroni, und die Babsi. Toll ... viele von denen lange nicht mehr gesehen.  Wobei es heuer schon besser ist. Vor einem Jahr war es schon krass - erinnere ich mich. Nach der Quarantäne, da habe ich es wieder mehr denn je geschätzt „Gesellschaft“ zu haben. Es war wohltuend, ich war dankbar  für alles und dafür. Und das Bierchen schmeckte um Welten besser. Sogar besser als jetzt. Es war damals diese Befreiung nach der Stille, in der ich auch gelernt habe. Ich hatte Zeit das System zu überdenken. Vielen anderen ging es gleich. 
Bussi links – Bussi rechts – das geht ja jetzt wieder
 ... wir können uns noch unterhalten, weil der Anpfiff erst um 21 Uhr ist. Susi erzählt, dass sie grad mit ihrer Familie im Urlaub in der Toskana war. Mit dem Zug. Super, weil der Agriturismo sie direkt am Bahnhof abgeholt hätte. Bis zum Strand gab es Gratis-Shuttleservice oder Fahrräder. Ihr Mann Lenz sagt dass es echt geil war; Gutes Wetter,  Preis-Leistung OK, Wasser sauber. 
Rupi flüstert fast, dass er seit Herbst wieder mit seiner Frau zusammen ist. In der Coronakrise war es happig ... mit den Kindern und so.  Aber im Oktober haben wir beide eingesehen – sagt er - dass es Wichtiges und weniger Wichtiges gibt.  Wir hatten rückblickend eigentlich immer nur über kaum Wichtiges gestritten.  Wir sind uns dann auf einer neuen Ebene begegnet ... sagt er ... und beide hätten in Sachen Sturheit einfach jeweils 5 Punkte nachgegeben. Das freut auch Günther der zu Rupi meint dass ihr beide doch irgendwie zusammen gehört.  
Günthers Vater – das wussten wir alle – ist im September an Covid19 gestorben.  Da hatten wir diesbezüglich eigentlich das gröbste schon hinter uns. Aber es zirkulierten immer noch infizierte, symptomfreie Menschen. Diese konnten nach wie vor das Virus weiter geben und verbreiten – mit entsprechenden bekannten Folgen. Viele andere waren inzwischen aber längst immun.  
Flori sagt, dass er mit Vroni heuer wohl eher auf die Gampen Alm gehen wird um so richtig auszuspannen und die Natur zu genießen. Ich kann mich noch gut erinnern wie grad Flori und Vroni mit ihren Weltreisen immer geprotzt hatten ... Malediven, Panama, Südafrika und dann jeweils im Frühjahr mindestens Ibiza oder Lanzarote.  Und diesbezüglich fällt mir wieder ein wie ich vorher bei der Bar St. Anton in den Himmel gestarrt hatte und nur wenige Kondensstreifen ausmachen konnte. Im März letzten Jahres war es total unglaublich. Über dem Südtiroler Himmel waren so gut wie überhaupt keine Flieger mehr auszumachen. 

Der Kellner bringt noch eine Runde Bier – im Haus gebraut versteht sich. Auch das ist schlussendlich „regional“ denk ich mir. Es zahlt der Lenz. Na ja, er gehört zu den Gewinnern der Krise. Ende 2019 hätte er seinen kleinen Lebensmittelladen fast zusperren müssen, aber in der Krise hatte er dann Umsätze wie schon 15 Jahre nicht mehr. Er meinte kürzlich mir gegenüber, dass er auch jetzt noch von der Krise profitiere. Er hatte viele neue Kunden gewonnen die auch jetzt noch kämen. Leute aus dem selben Kondominium, die früher das Auto nahmen um in den Supermarkt zu düsen ... ohne zu verstehen, dass schon der Dieselverbrauch höher war als die Ersparnis. Ich habe in der Krise mehr Leute persönlich kennen gelernt als all die Jahre vorher – meinte er.
Lenz’ Frau Susi ist übrigens Lehrerin. Meine Frau und ich haben uns letzthin öfter mit Lenz und Susi getroffen. Susi erzählt immer noch gerne aus der Coronazeit ... geschlossene Schule, aber trotzdem viel zu tun. Sie war nie die hellste was Smartphone, Computer usw. angeht, aber die Lage damals hat sie dazu gezwungen sich mit der Materie mehr zu befassen. Fernunterricht und so. Heute ist sie froh endlich diesen Schritt in Richtung neue Medien und Technik gemacht haben zu müssen.  Und sie erinnert sich noch gut wie gern die Kinder danach wieder in die Schule gekommen sind.  Braver als vorher waren, besser mitgearbeitet haben und auch recht gute Ergebnisse gebracht hatten. Der ganze Lernstoff konnte nicht ganz aufgeholt werden, aber die Kinder hätten wohl viel mehr für´s Leben gelernt. Das fahle Wort Sozialkompetenz hatte einen neue Dimension erhalten. In Geschichte und Naturkunde wurden die Schwerpunkte endlich neu angelegt.  

Da fällt mir grad noch der Michl ein, der heute nicht hier ist. Er hatte gleich am Anfang der Krise seinen Arbeitsplatz bei einer Dienstleistungsfirma verloren, weil die zusperren musste.  Aber schon im August hat er ein Angebot in einer großen Firma für Internet und Kommunikation erhalten. Diese Firma hatte das Callcenter zurück gefahren und wieder auf echte Menschen gesetzt. Nein, der Michl ist kein Fachmann für Internet-Technologie geworden – er macht Telefondienst. Er ersetzt sozusagen einen unsympathischen Telefonbeantworter. Oder wie nennt man das? ... Drücken sie die Eins für Deutsch, die Zwei für Italienisch ... als Kunde drücken sie die Eins, als Neukunde die Zwei ... für Internet drücken sie die usw.  Der Michl kann grad soviel Italienisch wie es braucht zum Weiterleiten. Aber er hat so eine furchtbar angenehme Stimme. Michl ist so ein Typ den man nicht aus der Ruhe bringen kann. Ich habe mich für ihn gefreut als er diesen Job erhalten hat. Er ist nicht mehr 20, hat mehrere Unfälle gehabt und körperlich hat er sich bei seinem alten Job zuletzt ziemlich schwer getan. Er hat noch zehn Jahre bis zu Pension.  Michl´s Schwägerin - mir fällt grad ihr Name nicht ein - ist eine Macherin, erfolgreich, immer unter Strom. Sie hatte im November einen leichten Herzinfarkt – wahrscheinlich war es eine verschleppte und nicht auskurierte Grippe. Sie ist jetzt eh schon wieder ziemlich fit sagte mir der Michl. Michls Bruder - auch immer auf 150 -  lässt sich jetzt sogar gegen Grippe impfen. Und so wie wir alle aus Corona gelernt haben, blieb sogar er wegen einem ordentlichem Schnupfen und Husten heuer im Jänner daheim. Um sich richtig auszukurieren und andere nicht anzustecken.  

Das EM-Spiel wird angepfiffen. Italien tut sich anfangs gegen die Türkei relativ schwer.  Nun, ich bin kein großer Fußballfan, aber man lässt sich halt mitreißen. Ich halte meistens zu den vermeintlich Schwächeren – die sind mir immer sympathischer, speziell wenn sie die Topmannschaften ein wenig sekkieren. Aber mir tut auch jetzt grad Italien leid, weil das war ein klares Faul ... und der Schiedsrichter verweigert die Videoassistenz. Ist der bestochen denk ich mir, haben die immer noch nichts gelernt?  Na ja, einige Fußballvereine und auch vereinzelte Spieler hatten damals für die Bekämpfung des Virus gespendet, Beatmungsgeräte angekauft oder auch Nachwuchsvereine gefördert. Gar einige Top-Profis allerdings nicht oder nur mit lächerlichen Summen. Die hatten trotz Absage der Turniere und der Spielsaisonen weiterhin Millionen von Euro überwiesen bekommen, während der Hausmeister im Stadion vorläufig entlassen wurde und von der Sozialhilfe grad so leben konnte. Vom großen „Fair Play“ hätte ich mir damals etwas mehr erwartet. Und wenn ich mich richtig erinnere hatten damals nicht die Funktionäre und Spieler den Fußball gerettet sondern die Fans, die Geld für schon gekaufte Tickets nicht zurück verlangt hatten.  

Während es im Spiel so ziemlich lustlos hin und her geht fällt mir auf, dass wir hier zusammen sitzen, schreien, pöbeln ... die meisten für Italien ... als ob in den letzten 12 Monaten fast nichts passiert wäre. Dabei hatten wir einen wirtschaftlichen Einbruch wie seit fast 100 Jahren nicht mehr. Die Börse war Ende März letzten Jahres um 50 Prozent eingebrochen, ein Totalcrash war das. Auch im April ging es an der Börse und nur Auf und Ab. Konjunktur komplett im Eimer – eigentlich ein Ding der Unmöglichkeit. Zumindest rechnerisch ein Umstand aus dem man nie heraus kommen würde. In den Jahren zuvor sind wir bei der geringsten Steuererhöhung auf die Straße gerannt, haben uns furchtbar aufgeregt, wenn auch nur ein Beistrich irgendwo verändert wurde. Rückblickend waren das alles Peanuts ... Sandkörner ... im Vergleich mit dem was Covid19 wirtschaftlich angerichtet hat. 

Und trotzdem sitze ich, Franz, Susi, Vroni, Lenz und all die anderen fröhlichen Leute heute hier im Schotzn-Heisl und schauen auf die unwichtigste Nebensache der Welt.   Da fällt mir ein, dass ich meiner Frau versprochen hatte heute früher nach Hause zu kommen. Sie hatte sich heute entschieden Spätdienst zu machen, der um 22 Uhr endet. Sie hat jetzt so eine Art Gleitzeit oder wie sich das nennt. Sie kann es sich jedenfalls einteilen wann sie wie viele Stunden im Studio oder im Homeoffice ableisten will. Ich habe ihr Mittags gesagt, dass ich keine Radlrunde machen, sondern einfach dem Herrgott die Zeit stehlen würde. 
Und jetzt Halbzeitpause; 0:0 stehts immer noch und gleichzeitig ist es 21:50 Uhr, weil nachgespielt wurde. Sie wird ja immer ziemlich grantig wenn ich zu spät komme. Es ist dann meistens nicht nur der Umstand des „Zu Spät Kommens“, sondern das macht das viel zitierte „Fassl“ dann eben voll. Um ehrlich zu sein, früher habe ich mir zu diesen Zeitpunkt die Ausrede für später ausgedacht. Heute ruf ich an und sag dass ich mit Lenz, Susi, Franz und einigen anderen hier grad noch EM schaue und wohl etwas später kommen werde. Ich weiß, dass sie mir das verzeiht, weil wir beide jetzt andere Perspektiven haben ... eben nicht wegen jeder Kleinigkeit an die Decke zu rennen, sondern versuchen das Fassl immer halbvoll zu lassen. Wir haben beide gelernt Existenzielles und Nebensächliches klar auseinander zu halten.  

Während dieser Pause kommt Nachschub aus dem Zapfhahn und um 22 Uhr geht’s wieder weiter. Die Mannschaften stürmen aufs Spielfeld. Jetzt sind wir alle wieder beisammen. Spieler, die Zuschauer auf den Tribünen und die ganzen Fans weltweit vereint vor den Groß- und Kleinbildschirmen. Da fällt mir auf, dass es hier überall noch um Menschen geht. Um fröhliche, lebende und fordernde Menschen die aus einer Krise gelernt haben. Wir sind es die für uns und die Welt verantwortlich sind. Wir haben uns gerettet, nicht die künstliche Intelligenz, nicht die Computer und nicht die automatisierte Technik. Wer würde sich hier ein Fußballspiel zwischen den Robotermannschaften aus China und Taiwan ansehen? Ja, denk ich mir, dass nicht die Technik uns aus der Corona-Krise geführt hat, sondern wir Menschen die solidarisch waren, soziale Verhaltensformen geändert haben und Auflagen befolgt haben. Auf der anderen Seite waren wir unheimlich kreativ, konstruktiv, hilfreich, solidarisch ... die Forscher und Experten haben unmögliches geleistet, konnten auf die bis dahin entwickelte High-Technik zurückgreifen. Aber schlussendlich waren es Menschen die die Wende gebracht hatten. Wir sind Überlebendkünstler denk ich mir. Und alle anderen Lebewesen auch, denen wir es zuletzt aber immer schwerer gemacht hatten.  

Der Schiedsrichter pfeift ab, fast wie Landeshauptmann Kompatscher als er vor ziemlich genau einem Jahr die wichtigsten Beschränkungen durch den Coronavirus abgepfiffen hat. Bis dahin hatten wir auch in Südtirol ziemlich viele Covid19-Opfer. Durchschnittlich war die Todesrate aber glücklicherweise nicht wesentlich höher als in den Jahren vorher. Im Frühjahr hatten wir aufgrund der Ausgangsbeschränkungen keine Lawinentoten und kaum tödliche Verkehrs- oder Freizeitunfälle. In der Lombardei war der statistische Anteil leider höher als in den Jahren zuvor. Heute sterben nach wie vor einige Menschen an Covid19, aber die Anzahl entspricht jener der normalen Grippe.  Im Prinzip haben wir das Virus überlebt und leben in einer neuen Zeit in der so vieles anders ... besser ist. Ich kann mich noch an die Zeit Mitte-Ende März letzten Jahres erinnern. Viele Menschen hatten Angst, die Informationen waren konfus, kein Experte machte zufriedenstellende Prognosen oder musste diese 14-tägig revidierten. Die Überflutung mit Corona war fast wie ein Tsunami. 80% des TV-, und Radio-Programms – auch Webportale - bestand aus Corona. Jede Talkshow hatte nur dieses Thema zum Inhalt. Andere Nachrichten und Ereignisse spielten nur mehr eine billige Nebenrolle.

Die Angst war übrigens berechtigt, nachvollziehbar, menschlich ... aber eigentlich so ähnlich wie die Angst eines Kindes vor einer Spritze. Es tat schon weh vor dem Stich! Der effektive Stich hat dann natürlich mehr geschmerzt. Und eine kleine Narbe ist auch geblieben. 

Ich bin jetzt ruhig, das Spiel ist aus. Etwas so unwichtiges wie ein Fußballspiel ist einfach nur fertig. Sachen wie Fußball sind so unwichtig wie viele andere Dinge die vorher wichtiger waren. Wir haben gelernt, dass Mitmenschlichkeit, Freundschaft, Humanismus, Gesundheit, Umweltschutz, Solidarität, kleinere Kreisläufe, der Glaube an Gott oder an das Gute ... ja auch die Demokratie erstrebenswerter sind als Globalisierung und Egoismus.  

Pfiat enk ! i bin awek ... seg mor ins morgen beim Spiel Wales gegen Schweiz.  

 

 

 

 

Teil 2

Ein Blick zurück ... in eine andere Welt  - Eine Retrognose!

12.  Juni 2021 
(Kapitel 2 - erstellt 28.3.2020)

Ich schlafe heute etwas länger als sonst. Schließlich ist Samstag. Und der Wetterbericht gestern beim Sender Bozen – pardon, Rai-Südtirol sagt man schon lange – hat nicht gerade Kaiserwetter versprochen. Die Prognosen sind inzwischen ja sehr gut, wenn es nicht grad um Vorhersagen von Epidemien oder gar Pandemien geht. Wobei ich schon wieder bei diesem Thema bin, das uns alle zwischendurch wieder einholt. Die Folgen sind schließlich heute noch spürbar. Im Guten wie im Bösen pflege ich da immer zu sagen.
Na ja, erst einmal Frühstück; Kaffee, Brot, Butter & Honig ... Jogurt mit Müsli mach ich fast nur wenn ich eine Radtour vorhabe, wozu das Wetter heute nicht so einladend ist.

Im Hintergrund läuft übrigens auch jetzt Rai-Südtirol. „Frühstücksradio“ mit Jutta Kieser ... „Lissabon“ von Michael Aster bröselt mir grad entgegen. In der Nach-Coronazeit hat unsere Rai mehr Südtiroler Musiker ins Programm aufgenommen. Mit dem Sinn, dass mehr SIAE-Beiträge an unsere Musiker, Komponisten und Produzenten zurück fließen. Tolle Idee war das.
Nach dem Frühstück folgt gewohnheitsmäßig ein „Tschigg“ auf dem Balkon. Eigentlich hätten wir alle spätestens mit Corona das Rauchen aufgeben sollen, schließlich gehörten Raucher zur Risikogruppe. Ebenso wie alte Menschen oder jene mit Vorbelastungen.  Egal – nicht egal – aber was soll´s.

Danach folgt traditionsgemäß der Weg auf dieses Örtchen mit diversen runden Keramikschüsseln. Mit dem iPad in der Hand lasse ich mich im Rückwärtsgang auf die mittlere Schüssel nieder. Das Abseilen dauert, aber ich hab ja das Streichel-Brettl ... www.salto.it  ist hier immer die erste Wahl. Ja, dieses Portal gibt es übrigens noch. Es hatte in der Krise Klickraten wie nie zuvor. So wie viele andere Online-Angebote auch. 

Nun, während ich immer noch auf fortschreitende Aktivitäten im letzten, sehr verwundenen Teil vor dieser gewissen, menschlichen, hinteren Öffnung warte, lese ich auf Salto den Beitrag mit dem Titel „Beim nächsten Mal“. Ich hatte ihn schon gestern als Noch Zu Lesen markiert. Irgendein mir unbekannter Ökonom hatte einen Gastbeitrag veröffentlicht in welchem er einen krassen Vorschlag in den Raum warf. Es handelt sich um eine Idee wie man die nächste Krise – egal ob Virus oder sonst was – wirtschaftlich und ökonomisch besser meistern könnte. Als „Mega-Cut“ bezeichnet er diesen radikalen Schnitt. Einfach am Anfang einer Krise wie jener mit Corona den Zahlungsverkehr oder den Geldfluss komplett einstellen. Er meint, man hätte einfach zu einem fixen Datum und für einen gewissen Zeitraum alles einfrieren sollen. Es wäre dann einfach alles stillgestanden was mit Geld, Börse usw. zu tun hat. Vom 1. April bis 30. Juni beispielsweise. Sozusagen drei Monate aus dem Kalender heraus schneiden. Niemand hätte Geld verloren, niemand sich auf Kosten anderen bereichert. Für alle anfallenden Kosten - etwa für Lebensmittel und andere überlebensrelevante Dinge - hätte der Staat aufkommen müssen. Es hätte nur einen Bruchteil von dem gekostet was bis heute weltweit an Unterstützungs-Billionen – zum Teil unsozial oder ungerecht – ausgeschüttet und verteilt wurde. Die Staaten hätten Lebensmittel und sonstigen Bedarf zum Engros-Preis und steuerfrei sozusagen äußerst günstig einkaufen und verteilen können. Der Kontostand der Bürger hätte sich also in drei Monaten nicht geändert.
Ich lese jetzt hier die Details und denke mir, dass das niemals umsetzbar gewesen wäre. Andererseits ?  Wäre es wohl einfach nur zu tun gewesen, denn im April hatte Italien schließlich auch angefangen Lebensmittel-Gutscheine auszuteilen und mit anderen Gesten das Volk ruhig zu halten.

Der große Sch(m)iss in die vertikale ist gerade geglückt. Es ist immer dieses Gefühl doch etwas Sinnvolles erreicht und abgeschlossen zu Haben. Ein täglich zu absolvierender Step, dem dann weiteres folgen darf.

Meine Frau und ich sind jetzt pronto. Wir wollen heute ja in die Altstadt um uns mit Renate, Luis, Helga, Kilian und Magdalena zum Aperitivo beim „Vögelchen“ zu treffen.
Wir nehmen unsere Stadt-E-Bikes – da schwitzt man weniger – und radeln dem Radweg entlang bis in die Leonardo da Vinci Straße. Abstellen und dann zu Fuß weiter. Da sitzt sie ja schon die ganze „Paggasch“. Kilian hat auch seine Bekannten aus Oberösterreich mitgebracht, die grad wieder in Bozen Urlaub machen. Sie nächtigen bei Kilian und nicht im Hotel. Wir kennen sie auch längst ... haben die eine oder andere Radtour mit ihnen absolviert. Man grüßt sich, mit etwas Abstand. Ganz eng macht man das ja jetzt nicht mehr. Ein Blick ins Innere des Lokals genügt um zu verstehen warum. Selbst jetzt sind noch gewisse Abstände geboten.
Letztes Jahr war es noch schlimmer. Nachdem das öffentliche Leben Ende April – Anfang Mai wieder langsam hochgefahren wurde, mussten alle Bar´s und Restaurants die mögliche Besucherzahl reduzieren. Tische wurden heraus genommen, die Anzahl an Personen pro Tisch und Größe musste angepasst werden. Direkt fein war es. Wo wir uns vorher zu Dritt fast zwei Stühle teilen mussten, waren drei Stühle für Zwei verfügbar.

Auch jetzt sitzen wir hier vor dem In-Lokal im Schatten der Altstadthäuser und dieser altehrwürdigen Gemäuer. Aber zumindest müssen wir jetzt nicht mehr immer diese Gesichtsmasken tragen. Wir hatten uns ja fast schon daran gewöhnt. In allen Farben und allen möglichen und unmöglichen Design-, und Modevarianten waren diese zu Wucherpreisen verkauft worden. Virologen, Immunologen und wie die ganzen Experten heißen, hatten ja lange darauf bestanden ... mit dem Argument, dass das in China schon vor Corona Normalität war, und China vielleicht auch darum schlussendlich weniger Tote und Coronafälle hatte als der Rest der Welt..
Aber das hatte sich ja später als reine Lüge heraus gestellt. China hatte mit den Zahlen ja ordentlich geschwindelt. Schon im April tauchten Handy-Videos aus China auf in denen wir sahen, dass ganze Bergungsflotten bei Nacht in den leergefegten Straßen unterwegs waren um die Toten aus den Wohnungen zu holen. Statistisch wohl nicht erfasst, da sie nie ein Krankenhaus oder eine Beatmungsmaschine gesehen hatten.

Wir stoßen an! In jetzt angemessener Form und Distanz. Der Prosecco ist gut. Er schmeckt in Gesellschaft immer besser. Und ja, der Willy – das ist der Chef hier – hat auch wieder Solzstangelen und Nissln hergestellt. Das war bis vor einigen Monaten verboten ... oder wäre es das eigentlich immer noch? Bei den ganzen Regeln die wöchentlich verschärft und wieder aufgeweicht wurden soll sich noch jemand auskennen?
Sicher ist: Es gab sozusagen keine „offenen“ Lebensmittel mehr. In seinem Hotel am Ritten musste der Willy auch alles umstellen. Buffet gab es ja aus hygienischen Gründen nicht mehr. Es wurde alles nur mehr bestellt und serviert. 

Na ja, denk ich mir, wir sind ja alle nur hier, weil laut aktuellem Stand, oder besser gesagt laut App-Meldung oder Eigenerklärung, niemand von uns infektiös ist. Wobei selbst das nach wie vor nicht garantiert ist. Es gibt immer noch eine kleine Fehlerquote. Trotz der flächendeckenden Überwachung. „Save“ - wie wir es jetzt pflegen zu sagen - ist eigentlich nur Helga und Kilian, Luis und Renate sowie ihre Kinder. Die haben die Krankheit durchgemacht und gelten somit als immun. Sie können nicht mehr krank werden und sind für uns andere darum ungefährlich. Zumindest geht man davon aus.

Die Renate erzählt gerade über ihren neuen Job nachdem sie von Helga drauf angesprochen wurde. Ihr passe es recht gut, sie müsse sich noch einarbeiten aber das sei kein Problem, weil ihre Vorgängerin noch dort wäre.
Renate hatte Glück, ihr fehlen noch acht Jahre bis zur Pension. Das ist fast 1 Jahr mehr als sie sich noch Anfang 2020 ausrechnen hatte lassen. Auch wir Männer müssen natürlich etwas länger buggeln. Auch das verdanken wir diesem Sch...-Virus. Italien als Staat ist finanziell bekanntlich komplett am Ende. Der EU-Rettungsschirm war mehr ein Sschwimmreifen, dem schön langsam die Luft ausgegangen war. Nicht weil die anderen EU-Staaten nicht wollten, sondern weil einfach kein Geld mehr da war ... oder zumindest dort nicht wo es gebraucht worden wäre. Die sogenannten Corona-Bonds – wie die richtig heißen weiß ich grad nicht mehr – haben schlussendlich ja die Chinesen aufgekauft. Man munkelt ja auf diversen Verschwörungsportalen dass China sich mit Corona die Weltherrschaft sichern wollte. Ich denke das ist Blödsinn, aber es ist klar dass schlussendlich China am besten durch die Krise gekurvt ist. Anfangs brauchten wir Schutzausrüstung, technische Analysegeräte und Impfsubstanzen in unglaublichen Mengen. Und nur China konnte die in entsprechender Anzahl produzieren und liefern. Jetzt produzieren wir Europäer wieder einiges selber, aber einige dieser Hersteller gehören mehrheitlich auch wieder Chinesischen Investoren. 

Auch viele sogenannte Mittelständler im reichen Deutschland – oft auch Zulieferer für die Automobilindustrie – wurden heuer von Chinesen und Indern übernommen oder aufgekauft. Das sind die Spätfolgen von Corona. Der Staat hatte geholfen, Nullzins-Kredite wurden vergeben und Zahlungsaufschübe gewährt. Aber dann  - am Ende des letzten Jahres - wurde abgerechnet. Die Renditen, mit denen die alten Kredite bedient werden sollten, waren ausgeblieben. Und die Insolvenzen waren oft der einzige Ausweg.

Andererseits sind viele kleine neue Betriebe gegründet worden. Nicht fremdfinanzierte, sogenannte Start-Ups, sondern richtige Produktionsfirmen, die jetzt schon wieder auf Hochtouren laufen. Oft sind es sogar die gleichen Inhaber, die einfach Straßenseite gewechselt haben. Alte und gute Mitarbeiter sind ihnen gefolgt. Auch die Arbeitslosenzahlen sind seit diesem Frühjahr wieder rückläufig. Wir erinnern uns ... im Sommer und Herbst letzten Jahres waren sie in Europa und in den USA so hoch wie seit Jahrzehnten nicht mehr.

Alex - der Stritzi, Freund von Kilian – ist auch Hotelier und Gastronom, so wie unser Willy hier. Er erzählt dass auch er letztes Jahr - so wie die Südtiroler Hotellerie - starke Einbußen hatte. Er sei aber nicht verschuldet gewesen und wäre darum halbwegs gut über die Runden gekommen. Auch weil ihm das Hotel selbst gehört und der Staat die Lohnkosten für die Angestellten so gut wie ausgeglichen hatte. Vorher hätte er zum Glück gute Jahre gehabt ... er ein Polster angesammelt hatte, pflegte er zu sagen.

Wir quatschen dann über dies und das. Wir leben schließlich in der Post-Corona-Zeit in der wieder zumindest eine gewisse Normalität herrscht. Wobei jetzt schon vieles als normal betrachtet wird was früher schlicht nicht normal war. Ich denke dabei an dieses Bewegungs-Tracking. Freiwillig – unter Anführungszeichen – hatten wir den Button für die Nutzungsbedingungen berührt ... früher sagten wir noch gedrückt ... ohne die 13 Seiten durchzulesen. Man ließ uns wissen, dass Datenschutz oberste Priorität hätte, man aber die Ausbreitung des Virus besser beobachten und verwalten könne. Es hat dann nicht so geklappt wie in Südkorea, weil unser 5G-Netz noch nachhängt. 5G macht Tracking für jene die wissen wollen was wir wo tun präziser möglich. Dreidimensional sozusagen. In Korea, und wohl einigen anderen Ländern auch, hätten die Datenverwalter nicht nur den genauen Standort, sondern sogar das Stockwerk ermittelt in welchem sich grad jemand aufhielt.
Die wüssten jetzt so ziemlich genau, dass ich grad mit meiner Frau, mit Alex, Renate, Helga, Luis und all den anderen hier vor dem „Vögelchen“ sitze – seit genau 30 Minuten. „Wüssten“ !!! sie wissen es heute nicht, weil ich mein von mir selbst gekauftes „Ausspähgerät“ zu Hause gelassen habe. Extra! ... und eingeschaltet. Noch öfter schalte ich es letzthin einfach aus. Meine Freunde wissen das. Sie regen sich nicht mehr auf, wenn ich grad nicht abnehme oder nicht innerhalb von zwei Minuten auf WhatsUp antworte. Diese jetzt in Mode gekommene neue Kommunikationsplattform ... mir fällt jetzt grad nicht ein wie die heißt ... hab ich noch gar nicht herunter geladen.
Hannes, der Mann von Magdalena, hat das natürlich alles drauf. Nur Facebook hat er inzwischen gelöscht. Das ist veraltet. Er ist Bankbeamter, immer online, immer Up To Date, immer unter Strom. Außer wenn er mit mir Radeln geht. Da kann sogar der Hannes abschalten. 

Apropos Virus-Tracking. Wir hatten das ja alle hingenommen, weil uns versprochen wurde, dass wir uns dann dafür wieder freier bewegen durften. Ja freilich war es freiwillig und hat auch bei der Eingrenzung geholfen. Aber es hat auch zu Ausgrenzungen geführt. War man infiziert - oder auch nur möglicherweise - fühlte man sich wie ein Aussätziger. Die App war aber nicht perfekt. Viele Alte, diverse geistig Behinderte oder auch Minderbemittelte hatten nur ein Telefon und kein Smart-Phone.  Die Politik und die App-Entwickler hatten sich sehr darauf verlassen. Vielleicht war auch das ein Grund für die zweite Welle, mit der im Sommer letzten Jahres eigentlich niemand mehr gerechnet hatte.

Hannes ?  Ach ja, wo ist er denn? Du Magda – so nennen wir Magdalena übrigens im Freundeskreis -  ... wo hosch in Hannes heint? frag ich sie. Sie zieht ihr Handy heraus, wirft einen Blick drauf und meint, dass er gleich hier sein müsste. Er fährt mit seinem E-Scooter grad über die Talferbrücke ... also müsste er gleich da sein –sagt sie. Tracking lässt grüßen, denk ich mir. Und wenn irgendwer wissen will wo Hannes und Magda grad sind, wird er das jetzt auch wissen. Aber den meisten, speziell den Jüngeren, scheint das alles ziemlich egal zu sein. Die sind damit aufgewachsen ... sollen sie´s halt wissen, sagen die.

Hannes - frech wie er ist – parkt nicht wie es sich gehört auf den eingezeichneten Abstellplätzen, sondern schleicht elektrisch bis zu uns. Er stellt seinen Scooter hin, nimmt den Helm ab und grüßt schon bevor er den Schlüssel abgezogen hat. Der Magda ist das immer peinlich. Sie mault ihn zusammen ... wos tuaschen, konnsch net den Scooter zem hinstellen, wo das alle anderen auch tun?  und ... und ... und. Er gibt klein-bei und parkt den Scooter ordnungsgemäß.
Er, der immer zu tun hat, hatte es nicht früher geschafft. Aber jetzt ist er da, übernimmt das Ruder, erzählt wie ein Wasserfall ... natürlich über seine Bank, die jetzt auch in Krise sei weil die ganzen Unverschuldet Verschuldeten die Kredite nicht mehr zurückzahlen würden.

Ich erinnere mich wie letztes Jahr alle Zahlungen aufgeschoben werden durften. Wir alle zahlten keine Steuern, keine Gebühren, keinen Strom und kein Gas. Na ja, vorläufig nicht. Im Herbst und Anfang dieses Jahres hat es dann ordentlich geklappert. Neben den aktuellen Zahlungen waren zusätzlich die gestundeten des letzten Jahres fällig. Für einige war das dann das Ende. Aber gewisse Sektoren haben sich erholt ... läuft schon wieder halbwegs gut – meint Hannes.

Während die Ladys über Chorproben auf Distanz, Gleichberechtigung und noch anstehende Kurzurlaube quatschen, ist bei den Männern die Fußball-Europameisterschaft in den Mittelpunkt gerückt. Heute Nachmittag um 15 Uhr spielen Wales gegen Schweiz, um 18 Uhr Dänemark gegen Finnland und um 21 Uhr Belgien gegen Russland.

Wir sollten uns irgendwo treffen meint Hannes – irgendwo Public Viewing oder bei mir im Garten. Bei dir wäre toll, meint Luis. Er könne eine Kiste „Riegele-Bier“ mitbringen. Auch der Stritzi Alex und Kilian stimmen zu. Ich denk mir, eigentlich habe ich mit Franz und einigen anderen im Schotznheisl ausgemacht. Aber – denk ich mir – wenn ich mir gleich drei Spiele reinziehen möchte, wäre der Garten von Hannes und Magda sicher die bessere Wahl. Ich will jetzt niemanden versetzen und frage ob ich noch einige Kumpels mitbringen könne. Magda – immer die Ohren im Multitasking-Modus – hört das und meint, dass ich das logisch könne ... der Garten sei groß genug. Kilian wirft ein, dass es dann wohl zusätzlich „Flüssiges“ bräuchte ... Er wird sich darum kümmern. Ich bring einen großen TV – sag ich.
Und weil das alles noch zu organisieren ist, verabschieden wir uns auch schon.  „Zu Hause“ - dieses Wort klingt heuer schon viel besser – versenkt meine Herzallerliebste 500 Gramm Spaghetti in siedendes Meerwasser, während daneben schon eine hellrote Paradeiser-Soße im angerösteten Zwiebel verschwindet.  Zumindest Tischdecken könntest du schon – sagt meine Frau – während ich grad selbstgemachten Holersirup aus dem Kühlschrank hieve. Wollt’ ich grad, sag ich.  

Ein-Uhr-Nachrichten ... Tom Vornmetz - einer der Sprecher von Rai-Südtirol – erklärt uns, was in Südtirol und der Welt so alles passiert ist. Kaum eine Meldungen ist wirklich interessant oder aufregend. Na ja, vielleicht jene dass der Ex-US-Präsident Trump nach wie vor twittert und wettert was das Zeug hält. Er verstehe nach wie vor nicht wie sein Land einen Nichtsnutz wie Joe Biden hat wählen können. Er hätte die Coronakrise bestens gemeistert und sinnvoll für „Great America“ gehandelt. Na ja, denk ich mir ... einige hunderttausend Tote? ... Aber das war eben Trump.

Dann höre ich auch noch eine Meldung wonach viele indigene Völker nach wie vor Angst vor Corona hätten. Sie hatten sich damals weit in die Urwälder zurückgezogen um einer Ansteckung zu entgehen. Jetzt tun sie sich schwer wieder heraus zu kommen ... ungeimpft und nicht wissend was draußen auf sie wartet. Die Inkas und Azteken hatten schließlich Erfahrung mit eingeschleppten Seuchen wie Pocken, Grippe, Masern, Cholera. Wir hatten in der Schule ja gelernt: Ohne diese Krankheiten hätten sich die Europäer damals an diesen Ureinwohnern wohl die Zähne ausgebissen. Ohne Beatmungsmaschinen, Intensivstationen und dem entsprechenden Personal hätten wir uns voriges Jahr allerdings auch hart getan ... denk ich mir.

Wetterbericht ... keine Änderung ... unser Wetterfrosch Peterfin meldet stark bewölkt, warm, aber nur vereinzelte Niederschläge. Gut ... der EM-Party beim Hannes steht nichts mehr im Wege. Außer dass ich noch Franz anpiepen muss um zu fragen ob er und die anderen nicht Lust hätten zum Garten-Viewing by Hannes zu kommen. 

Wir genießen die gekochten Mikado-Nudel al Pomodoro und al dente ... sie rechts-drehend, ich links-drehend. - Komisch, ist mir noch gar nicht aufgefallen, dass sie die Spaghetti in der falsche Richtung auf die Gabel dreht. Nach 25 Jahren muss mir das auffallen?  Sie meint dann, dass wohl ich falsch drehen würde. Früher wäre es schon wieder losgegangen ... wer hat Recht? Aber das sind eben solche Kleinigkeiten über die wir uns nicht mehr streiten, sondern eher lachen. Wir brauchen das jetzt schließlich mehr.  

Abspülen tun wir nicht, das elektrische Hausmadl kann das besser und verbraucht viel weniger Wasser als ich. Beim Stromverbrauch würde ich wohl besser abschneiden, aber wir haben ja jetzt Ötzi-Strom – 100%ig Greenpower wie der Rudi Rienzer immer zu erwähnen pflegt. 

Während im Radio die Gudrun Hesser das Mittagsmagazin zu Ende moderiert und noch auf diverse Konzerte und Veranstaltungen verweist, steige ich durch das Treppenhaus sieben Höhenmeter in die Tiefe. Draußen steht mein Diesel-Bussl ... Net falsch verstehen ... ich meine den VW-Bus. Ich muss ja noch den Bildschirm für die EM-Übertragung aufladen. Das Bussl ist als Euro4 deklariert. Ich dürfte unter der Woche gar nicht mehr fahren, wenn nicht Corona das Fahrverbot aufgehoben hätte. Dabei fällt mir ein, dass ich im Januar letzten Jahres schon diverse Angebote für Elektro- oder Hybrid-Fahrzeuge eingeholt hatte. Der Umwelt wegen ... jo a bissl a wegen der Beiträge ... wollte ich eigentlich umsteigen. Aber jetzt muss es der Skandal-VW halt trotzdem noch tun. Weil Geld ist knapper geworden. Man schaut jetzt ja mehr wofür man Geld ausgibt.

Luis erwartet mich schon beim Hallentor. Er hatte beim Aperitivo versprochen mir beim Aufladen zu helfen. Der Luis war früher ein richtiges Monster von Mannsbild. Der hätte beim Reifenwechseln locker den Wagenheber ersetzt. Aber er hatte großes Pech. Während viele andere Covid19 ziemlich problemlos überstanden hatten, hat er bleibende Schäden davon getragen. Er war in häuslicher Pflicht-Quarantäne, da seine Renate Positiv getesteten worden war. Erst nach acht Tagen zeigte er Symptome ... das Bier schmeckte nicht mehr richtig, Husten, Fieber und dann Atemnot. Er wurde schnell ins Moritzinger Krankenhaus gebracht und musste an die Beatmungsmaschine angeschlossen werden.  8 Tage lang, dann noch eine weitere Woche unter Beobachtung. Er hat mir später einmal davon erzählt wie brutal das gewesen sei, wenn du denkst du gehst einfach drauf. Keine Luft zu kriegen ... des wor prutal - konnsch dor net vorstelln ... du willsch schnaufen ober es geat oanfoch net - sagte er danach oft.

Die „Ventilatori“ - wie sie die Italiener nannten - halfen zwar, aber tagelang einer Maschine und dem Personal danken zu müssen, dass sie einem am Leben erhalten ist ein sehr eigenartiges Gefühl – bemerkte Luis. Seine Lungenfunktion und Atemleistung ist seit damals ziemlich eingeschränkt. Als Wagenheber taugt er nicht mehr, als mein Freund sehr wohl.

Rein mit dem 80-Zoller ... inklusive Standfuß und Antennen-Kabel versteht sich. Und ab nach Gries in den inoffiziellen EM-Public Viewing-Garten von Hannes. Alles klappt wie am Schnürchen. Der TV steht im Nu, Bier & Prosecco ist kalt gestellt, und der Fritz - der Sohn von Hannes und Magda - hat auch schon den Grill von Laub und Dreck befreit. Widerwillig versteht sich ... aber EM schauen auf großem Bildschirm macht’s möglich. Sogar zusammen uns „Vecci“. Magda ruft aus der Küche: „Fri-itz ... kannst du bitte Brennholz ... trockenes ...  aus dem Keller holen, weil wir danach auch noch Grillen wollen“... Das Gesicht, die Gestik, die Hände und dieses mindestens 20 Sekunden währende „aaAAàáA`á--- aaAAàáA`á--- aaAAàáA`á“ eines nachpubertierenden Jugendlichen spricht Bände. Irgendwo einzuordnen zwischen einem Orgasmus und dem Drücken auf einer Keramikschüssel. Wir alle kennen das. Wir haben oder hatten schließlich auch Nachwuchs in diesem Alter.

Nun, wir sind ready. 14:35 Uhr, Signal passt, ZDF läuft und meine Frau ist auch inzwischen angekommen... mit dem Fahrrad, welches wir danach ja in den VW-Bus schmeißen können. Franz hat nur den Lenz und die Susi mitgebracht. Die anderen treffen sich erst am Abend zum Spiel Belgien gegen Russland im Schotznheisl. Alle anderen vom „Aperitivo“ sind auch schon hier. Einige haben verwertbare Fleischteile mitgebracht, die nach einer Umwandlung von roh zu gar durchaus lecker schmecken dürften.

Alex – der Stritzi - meint, dass wir doch schnell noch im ORF diese Sondersendung über die Nachwehen der Coronakrise gucken könnten, während der ZDF-Sportmoderator nur einige neue Regeln mit dem Kommentator ausdiskutiert. 
Und tatsächlich, in der Sendung geht es um Klagen und rechtliche Dinge. Deutsche Staatsbürger hätten Skiorte in Österreich und Südtirol verklagt. Die Rechtslage sei nach wie vor unklar. In den USA das selbe Problem. Dort sind die Gerichte seit Monaten mit Fällen beschäftigt um zu klären wer wen angesteckt hatte ... mit den entsprechenden Folgen und Spätfolgen. Oft spielen auch Versicherungen eine Rolle. Die ganze Sache hatte bekanntlich unglaubliche Ausmaße angenommen. Selbst in Italien haben 60-jährige die Sanitätseinheiten und Ärzte verklagt, weil ihre Eltern nicht an Beatmungsgeräte angeschlossen wurden. Rechtlich gesehen hatten sie sogar Recht, denn jedem Bürger steht in den meisten Ländern Europas das Recht auf lebensrettende Behandlung zu. Nur waren diese eben nicht immer und überall verfügbar. In der Lombardei mussten Ärzte tatsächlich auswählen wen sie an eine Beatmungsmaschine anschlossen oder einen Intensivplatz zur Verfügung stellten. Die brutalste Entscheidung die Ärzte zu treffen hatten war jene, einen bereits intubierten Patienten wieder von der Maschine zu nehmen – definitiv sterben zu lassen – weil ein jüngerer, gesünderer Patient die größeren Überlebenschancen hatte. Man ist dann dazu übergegangen Patienten mit sehr geringer Überlebenschance erst gar nicht mehr an die Maschinen zu hängen und lieber das Bett für den nächsten Menschen mit größerem Überlebenspotential frei zu lassen. Ethisch gesehen war das für jene Ärzte und Ärztinnen die zumindest etwas weniger belastende Wahl. Aber auch die normale Triage-Entscheidung war die reinste Hölle. Und im Herbst rollten dann schon die ersten Klagen ein. Rechtsanwälte forderten Dokumentationen, Abläufe und Erklärungen ... normal alles Dinge die im Sanitätswesen Pflicht sind, aber in dieser Ausnahmesituation verständlicherweise vernachlässigt wurden.

Natürlich ging und geht es dabei nur ums Geld. Es ist schlicht eine Frechheit wie heute noch Menschen aus diesem Notstand Kapital schlagen wollen. Es soll Fälle geben in denen Unsummen an Schmerzensgeld eingefordert wird – für an oder mit Covid19 verstorbene 95-jährige. Wobei sich solche Klagen eh nur Leute leisten können, die noch finanzielle Reserven haben.

Auch über das müssen wir reden, denk ich mir. Eigenverantwortung, Hausverstand, Vernunft, Ethik, Moral und ähnliche Werte sollten jetzt wieder in den Vordergrund rücken. Das betrifft den einfachen Bürger ebenso wie Politiker, Anwälte, Staatsanwälte und Richter.

Anpfiff! Wales, dieser kleine eigensinnige Teil Großbritanniens spielt an. Gegen die ebenso kleinen wie autonomen Eidgenossen. Beide sympathische Mannschaften mit gewissen Ähnlichkeiten zu Südtirol. Wales - das sagte mir mal ein Musiker von dort - bedeute soviel wie fremd. Und wenn du einen aus Wales fragst, was und wer er sei, wir er sich sicher nicht als Brite bezeichnen, sondern mit I am walsh antworten. Das ist „Celtic“ (keltisch) und klingt ziemlich gleich wie „walsch“ – so wie wir boshaft unsere Italiener nennen. Sie waren uns ja auch lange fremd.  Schon komisch wie die Welt eigentlich klein ist, wie Probleme in vielen Teilen der Welt immer wieder die gleichen sind.

Gut, die Schweizer hat noch nie jemand wirklich verstanden. Aber auch dieses kleine Land spielt wieder mit bei dieser EM. Schön wäre es wenn, entweder Wales oder die Schweiz die Vorrunde überstehen würde.

Zur Pause steht es 1:1. Beide haben gut gespielt. Na ja, es sind da ja nur wenige hochbezahlte Großverdiener dabei. Wobei auch diese Topstars seit Corona um 30 bis 50 Prozent weniger verdienen als vorher. Die Sponsoren hatten sich in der neuen Spielsaison auch nicht mehr so spendabel gezeigt wie vorher. Da fällt mir ein anderes Beispiel ein. Ministerpräsident Cronte wollte anfangs mit 10, dann mit 25 Milliarden und schließlich mit 50 Milliarden Italien über die Krise retten. Kein Wunder wenn auch das nicht gereicht hat. Zum Vergleich: Der Volkswagen-Konzern wies 2019 einen Gewinn von 13,3 Milliarden aus.

Wir Südtiroler haben aufgrund guter Verwaltung, starker Wirtschaft und Null-Verschuldung noch Glück gehabt. Das Land hat uns mit 2 Milliarden - unvergleichlich viel -  an Cash und Krediten durch das Corona-Tal geholfen. Wir stehen ja jetzt schon wieder besser da als viele Nachbar-Regionen. Italien steckt ja immer noch im Sand fest. Die Milliarden haben kaum geholfen, wurden ziemlich falsch verteilt oder sind irgendwo verschwunden. Für die einen waren es willkommen Geschenke, für die anderen reichte es kaum zum Überleben.

Fußball ist für Italien derzeit ein Grund die Realität kurz hinter den Vorhang zu schieben. Wir kennen das ja ... „Brot & Spiele“ ...

Fritz - der Sohn von Hannes und Magdalena - ruft zum Appell. Das Spiel geht weiter. Kilian bringt flüssigen Nachschub – wir stoßen an. Nicht für Wales oder Schweiz, sondern auf das Leben, auf dass wir hier sind, und auf eine gute Zukunft.

Es ist schon komisch wie wir uns hier und jetzt wieder frei bewegen können. Nein, wir hatten uns letztes Jahr nicht daran gewohnt, aber ein komisches Gefühl ist es trotzdem. Wir waren zwei Monate ziemlich eingesperrt, weitere zwei Monate eingeschränkt. Und bis in den Herbst hinein war Maskenpflicht und Vorsicht ein Gebot.

Da fällt mir auch diese Bombenentschärfung in Bozen ein – einige Monate vor Corona. Was hat man damals für einen Aufstand gemacht, nur weil in der Umgebung des Verdiplatzes für einige Stunden alles gesperrt werden musste. Der innere Kreis musste die Wohnungen verlassen und im erweiterten Kreis musste man für einige Stunden ausharren, wenn man nicht schon vorher das Weite gesucht hatte. Straßen inklusive, Autobahn und Eisenbahn waren gesperrt. Man hatte danach diskutiert ob das denn notwendig und angemessen gewesen sei? ... einige Stunden! ... altrochè Tage, Wochen, Monate in Corona-Zeiten Komplett Lächerlich – rückwirkend betrachtet.

Das Spiel ist aus. Hannes und Fritz werfen den Grill an. Magda, Renate, Helga und meine Frau bringen Grillgemüse. Luis spannt den großen Sonnenschirm über dem Bildschirm auf, da die Peterfin-Wolken sich jetzt doch mehr verzogen hatten als angenommen. Im Schatten dieses Schirms wartet jetzt auch das gewürzte Grillfleisch und das Gemüse auf Änderung des Aggregatzustandes – von roh nach gar.

Es riecht nach Grillparty, etwas zu grünem Holz und nach nassem Hundefell. Waldi war drüben beim Nachbar und scheint nicht verstanden zu haben, dass der Beregner  nicht immer rundherum läuft sondern auf Halbweg an den Startpunkt zurück springt. In dieser Phase war Waldi immer nah dran und ist jetzt entsprechend „beregnet“ ... und stinkt.

Das Fleisch ist sehr gut ... wer war der Griller?  Und da ertönt es schon aus Renates holder Kehle: Wer gewürzt, in Öl gelegt und hergerichtet hat, fragt niemand? Nur die Männer die ihrem Urinstinkt folgend ein Stück Fleisch von der einen auf die andere Seite werfen, sollen es dann gewesen sein. Typisch Männer eben – meint Renate. Aber zumindest sei es gut gegrillt meint sie dann versöhnend.

Die Männer und Frauen stoßen an. Die einen mit Bier, andere mit Radler. Alles aus Mehrweg-Flaschen aus Glas versteht sich. Aber das machten wir schon immer so. Dosen und Einweg sollte ja eigentlich verboten werden.

Der Franz steht auf, greift in seine Brusttasche, zieht ein Rot-Weißes Päckchen heraus, kippt mit dem Daumen den oberen Teil weg und zieht mit dem Mund ein circa 10 cm langes, weißes Papierröhrchen aus der Schachtel. Kürzer beschrieben: er geht eine rauchen!  Ich würde mitgehen, wenn er mir eine spendieren würde – sag ich.  Jo freilig! – meint er.

Du Franz, was macht du eigentlich jetzt, ... arbeitstechnisch? I bin jetz gonz frei – sagt er. Er sei jetzt ziemlich flexibel, spontan verfügbar ... der fixe Job von früher interessiere ihn gar nicht mehr. Den ganz sicheren Arbeitsplatz gib es eh nicht mehr, da tue er lieber das was ihm derzeit Spaß macht. Er verdiene etwas weniger aber die Arbeitsmodelle hätten sich eben geändert. Oft helfe er noch bei einem Bekannten in einem Geometerbüro aus, aber noch lieber hilft er dem Huber-Bauer. Den kennt man in Bozen. Das ist ein Vorzeige-Bio-Betrieb, der über diverse Verkaufskanäle Gemüse, Salate aber auch Kräuter und neben Wein jetzt sogar Getreide vertreibt. Und wenn es sich grad anbietet – meint der Franz weiter – mache er auch Radtouren mit Touristen ... im Auftrag des Hotel Schuberbad.

Neue Arbeitsmodelle sind ja sowieso in Mode gekommen. Kreatives Handeln und Denken ist jetzt eben gefragt wie nie zuvor. Da fällt mir ein wie dieser pensionierte Arzt und einige junge Tüftler in der Lombardei innerhalb weniger Tage eine Decatlon-Tauchermaske zu einem Beatmungsgerät umgebaut hatten. Sie hatten es sogar patentieren lassen, aber die Bauanleitung kostenlos ins Netz gestellt. In Krisenregionen wurden sie tausendfach eingesetzt. Dazu muss man wissen, dass normale Beatmungsgeräte um die 100.000 € kosteten und wohl noch kosten.

Wer möchte Kaffee? ... hallt es aus der Küche. Die Antwort gibt ein mehrstimmiger Chor. Etwas später bringt Helga die erste Tranche, kurz danach folgt die zweite. „Tranche“ ist so ein Begriff geworden mit dem die Politik immer wieder Förderungen und Hilfsmaßnahmen angekündigt hatte. Er fand auch Verwendung wenn es um Nachschub von Schutzausrüstung und später um die Lieferungen von elektronischen Fiebermess-Geräten ging. An das Fiebermessen haben wir uns schließlich auch schon gewohnt. Wer nicht als „save II“ – also immun – klassifiziert war, wurde vor Krankenhäusern, Schulen und vielen anderen öffentlichen Einrichtungen mit diesen Fieberpistolen abgeschossen. Ab 36,8 Grad, hieß es wieder #IchBleibeZuHause. Zum Teil sind diese Geräte ja fix installiert und überwachen ganze Flächen ... wahrscheinlich mit Infrarot-Technik.

18:00 Uhr – Dänemark und Finnland laufen ein. Der Schiedsrichter pfeift an. Die Herren der Schöpfung versammeln sich vor dem koreanischen LCD-Monster. Die Damen unterhalten sich etwas abseits mit Themen, die Männer vielleicht weniger interessieren oder über Dinge die sie vielleicht besser nicht hören sollen. Apropos Frauen. Die sind uns Männern jetzt noch mehr überlegen. Sie waren ja schon immer in der Mehrheit, aber an oder mit Corona sind statistisch mehr Männer als Frauen gestorben. Die Weltbevölkerung ist jetzt prozentuell also noch ein wenig weiblicher.

Finnland tut sich schwer gegen die überlegenen Dänen. Zur Pause steht es 0:2 und das ZDF schaltet kurz nach Mainz zur „Heute“-Sendung. Komprimiert geht es um die EM, das Geschehen in Berlin und das Weltgeschehen. Der Ausgang dieses Spiels war absehbar.

21:00 Uhr ... jetzt wird es lustig meint Fritz ...  endlich a gscheids Spiel meint er.  Wobei, wenn ich mir das so ansehe, machen weder Belgien noch Russland große Sprünge. Die Mannschaften scheinen sich abzutasten, wobei Belgien vorne immer wieder äußerst gefährlich wird. Kurze präzise Pässe und kurze Wege scheint die Strategie der Belgier zu sein. Im Prinzip genau so wie auch unsere Wirtschaft wieder auf die Beine gekommen ist. Kurze Wege, regionale Kreisläufe und Wertschöpfung vor Ort ist angesagt. Wobei es leider immer noch die gewissen „Furbi“ – auch unter den Bauern – gibt, die zu ziemlich überhöhten Preisen auf Märkten und im Internet ihr Unwesen treiben. Die stören mich eigentlich gar nicht. Mehr ärgere ich mich, dass sich die seriösen Anbieter und die entsprechenden Verbände nicht zu Wort melden. Niemand sollte sich in Zeiten wie diesen darauf hinausreden, dass es überall Schwarze Schafe gäbe! Es ist deren Aufgabe diese Schafe aufzudecken und zu entfernen, wenn sie nicht in denselben Topf geworfen werden wollen. Was wäre Transparenz  und würde gewissen Marken und Siegeln wieder zu „Wert“ verhelfen.

Das Spiel ist aus, es ist schon fast 23:00 Uhr. Die ersten ziehen Leine, einige helfen noch beim „Resetten“ = Rücksetzen auf  Werkseinstellung. In diesem Fall ist es die Herstellung des Originalzustandes von Garten und Örtlichkeit. Luis und Fritz helfen wieder beim TV-Verräumen. Der Rest klappt Fest-Garnituren zusammen, stellt leere Bier- und Radler-Flaschen in die entsprechenden Kisten. Essengeschirr hatten unsere Damen schon vorher in die Spülmaschine verfrachtet und sogar schon wieder aus- und an richtiger Stelle wieder eingeräumt.

Um Mitternacht ... es ist noch warm, angenehm ruhig, leicht bewölkt ... bedanken wir uns bei den Gastgebern und bei jene die irgendetwas mitgebracht hatten, und verabschieden wir uns ... nach wie vor im vorgeschriebenen Sicherheitsabstand.

Es war ein schöner Tag, ich bin dankbar ... für die Gesellschaft, für die Freunde, für die Freude, für die Gemeinschaft, für die Ablenkung, für das Essen, für das Bier ... für den Spaß, der in den letzten Monaten doch etwas zu kurz gekommen ist und noch immer Aufholbedarf hat.  
Ja, ich danke für diese zu 85% wiedergekehrte Normalität, die rückblickend wichtiger als alles andere ist. Wir hatten uns gewisses Verhalten, fast schon angewohnt. Wir waren ein wenig in einer Psycho-Narkose, in einer Schreckstarre. Wir wussten nicht was kommt. Es gab nur Virologen, Politiker und andere Experten die sich wochenlang bemühten in Sachen Zukunft schlicht nur zu Reden ohne dabei etwas zu Sagen.
Alle sagten uns nur was wir gerade jetzt zu tun hätten; #ZuHauseBleiben, Masken tragen, Abstand halten, Soziale Kontakte unterbinden

.... wobei „Social“ ja eh schon lange nichts mehr mit „persönlichem“ Kontakt am Hut hatte.  Soziale Kontakte vermeiden – hat es geheißen - und im gleichen Satz sollten wir Eltern und andere Menschen anrufen. Ja was denn nun? ... hab ich mich dann öfters gefragt. Wir hatten natürlich alle verstanden was gemeint war, aber trotzdem ...

Meine Frau und ich steigen in das VW-Bussl. Sie hat etwas weniger getrunken, also versucht sie mit dem Schlüssel – rechts drehend – dem Anlassermotor zu signalisieren, dass dieser dem Vierzylinder zu entsprechendem Schwung verhelfen solle, damit dieser mit etwas zusätzlichem Treibstoff sich selbst am Leben hält.  Der Motor tut was von ihm erwartet wird – ganz undemokratisch / auf Befehl – und bringt uns #NachHause.

Beim Einschlafen gehen mir dann noch einige Gedanken durch den Kopf.

Ich bin froh grad so über die Runden zu kommen, vorläufig überlebt zu haben und bisher noch nicht krank geworden zu sein - mit dem Risiko bleibende Lungenschäden davon zu tragen. Es kann mich aber immer noch erwischen. Und wer weiß wann SarsCov3 die Runde um den Erdball macht. Oder irgendeine andere Katastrophe, die uns so unerwartet und unvorbereitet mitten ins Herz trifft. Ja, wir sollten vielleicht ein wenig mehr Acht geben, ein Auge auf diese Welt haben, genauer Hinschauen, nicht Wegschauen. Aufstehen gegen Tendenzen die menschenverachtend sind, das Wort ergreifen für die Schwächeren, die mehr als wir in der Krise zu leiden hatten und noch haben ... weltweit meine ich. 
Wir sollten zufriedener sein, bescheidener, dankbarer ... speziell wenn wir anderen damit helfen ebenfalls zufriedener und ein wenig glücklicher sein zu können.

Ich danke Gott – oder wie immer dieser Geist auch heißen mag. Und ich danke dem Hl. Geist, den ich schon immer als Kollektiv von vielen guten menschlichen „Geistern“ bezeichnet habe. Im Sinne von: Wenn Millionen von Menschen an das Gute glauben, dann wird es gut ... ist es gut.  

Das alles ist etwas kompliziert, vielleicht zu philosophisch. Der Puls schlägt ruhiger, mein Körper sehnt sich nach Ruhe, nach Pause, nach Erholung ... nach Schlaf. In Erwartung eines nächsten, guten Tages.

 

es folgt 13. Juni 2021 – Kapitel 3  

.... die Geschichte geht weiter ...


 

Teil 3

Ein Blick zurück ... in die Welt von vorher - Eine Retrognose!

13.  Juni 2021 
(Kapitel 3 - erstellt 7.4.2020)

Sonntag ... ein Tag wie es noch weitere 51 pro Jahr gibt. Meine Frau weckt mich. Sie steht meistens vor mir auf. Es riecht nach frischem Kaffee. Aus der Küche tönt mir eine bekannte Stimme entgegen. Aus dem Radio ...  „Südtirol2“ läuft da grad.

Peter... so heißt der Moderator, der uns immer Sonntag früh aus dem Bett holen will. Er spielt einen Beitrag über die Corona-Zeit ein. Besser gesagt eine Umfrage. Die Redaktion hatte Leute auf der Straße gefragt, was sie in der #IchBleibeZuHause-Ära am meisten geärgert habe. Neben den zu erwartenden Antworten sind auch einige lustige dabei. Ein Bozner meint: „de bleden Durchsagen aus den Feuerwehrautos“
Ich erinnere mich noch gut. Es war ja so ruhig  ... Vogelgezwitscher übertönte alles, bzw. musste gar nichts viel übertönen ... und dann dröhnten mehrmals am Tag diese grauslichen Durchsagen – doppelsprachig versteht sich - durch die Straßen und Gassen: „Durchsage des Zivilschutzes: Bleiben sie zu Hause ...“ So ganz als ob wir das nach 14 Tagen „freiwilliger Quarantäne“ nicht gewusst hätten.
Eine andere Befragte meint: „definitiv mein Mann ... er hat freiwillig Sachen erledigt auf die ich zwanzig Jahre gewartet habe ... das war fast ein Schock“.
„Ich war stuff von den unzähligen Kommentaren in den Online-Medien, in denen die meisten einfach nur kritisiert und polemisiert hatten, ohne wirklich konkrete Alternativen bieten zu können“ ...sagt ein anderer. Da ging es damals um aus China georderte Masken und Fiebermesser, um Halstücher, Analysegeräte und Bluttests und einiges mehr. Oft  wurden später irgendwelche Mängel festgestellt. Schlimm waren diese serologischen Tests, die sich erst spät als etwas unzuverlässig erwiesen hatten und zu dieser dritten Verbreitung beigetragen hatte. Wobei eben schon klar war, dass es damals beim Bestellen dieser Dinge so gut wie keine Alternativen gab. Und aufgrund des Zeitdrucks innert Stunden entschieden werden musste. Dass man da in die Falle läuft, war nachvollziehbar.
Immerhin - sagten selbst Betroffene – sei eine billige China-Maske besser als gar keine Maske. Man wusste ja dass die USA – und nicht nur - den diesbezüglichen Markt leergekauft hatten.

Der Stimme nach ein eher älterer Mann sagt ins Radio-S2-Mikrofon: „nicht geärgert ... aber traurig bin ich immer noch über den Tod meines Hundes.  Man weiß es nicht genau“ – sagte er weiter – aber er hatte auch das Corona-Virus ... des hot man anscheinend hernach festgstellt“.  Ich erinnere mich: wir hatten im Mai mehrmals davon gehört, dass das SarsCov2-Virus auch auf Tiere übertragen wurde und oder umgekehrt. Der genaue Verlauf konnte aber bis heute nicht wissenschaftlich belegt werden. Man weiß nur dass gewisse Affenarten, Tiger und einige Tiere mehr, in Gehegen und Zoo´s mit Coronaviren verendet sind. Und da wären wir wieder: „Mit oder An ... Corona gestorben“ war ja das große Thema – und ist es ja immer noch.

Es folgen noch weitere Kommentare wie: „dass wegen a poor Ignoranten die Ausgangsspörren verschöft wurden“ . Eine andere Frau schlägt in die selbe Kerbe: „Wir durften nur 200 Meter, während andere mit ihren Hunden bis zu diesen Hunde-Gagga-Gehegen spazierten“.

10 Uhr: Wetterbericht ... Peter spielt den Wetterbericht des Südtiroler Wetterfrosch´s Peterfin ab: warm, sonnig, Abends vereinzelte Niederschläge und kleine Gewitter möglich – meldet die uns längst bekannte Stimme.

Beste Voraussetzungen für eine Radtour also – denk ich mir. Meine Frau ist da bereits viel weiter und kommt mir schon im Radl-Dress entgegen ... Ich solle mich beeilen, da Hannes und Magda angerufen hätten, ob wir nicht Lust auf eine Tour hätten. Zumal meine Frau eh weiß dass ich das sicher gerne mache, hatte sie natürlich zugesagt. Um 10:45 Uhr hat sie an der Eisenbrücke bei Sigmundskron ausgemacht.

Da fällt mir ein, dass ich letzthin immer wieder gelesen habe, dass gewisse Länder und Regionen statistisch gesehen weniger Corona-Tote hatten als andere. Eins waren die Maßnahmen zu Eindämmung. Ein anderer war der allgemeine, gesundheitliche Zustand der Bevölkerung. Man hat es mit einem gesunden Immunsystem in Verbindung gebracht. Sport, körperliche Ertüchtigung, gesunde Ernährung, genügend Schlaf und ein ausgeglichenes Leben waren sozusagen positive Parameter. Länder wie die USA hatten da eine eher schlechte Statistik.

Fast pünktlich treffen wir um 10:50 am vereinbarten Treffpunkt ein. Hannes und Magda haben auch ihren Sohnemann Fritz mit dabei – seine Freundin hat FZ sagt er uns ... ganz so als ob er sich rechtfertigen müsse warum er mit seinen peinlichen Eltern an einem Sonntag Rad fahren gehe.

Fritz ist ja sonst ein netter Kerl. Er sorgt meist ein wenig für Abwechslung. Die eine oder die andere gegenseitige Stichelei – speziell zwischen ihm und seiner Mutter – verursacht bei mir oft Muskelanspannung - bei den Lachmuskeln.

Wir treten hinauf nach Eppan – das ist ja kein Problem für uns – und treffen dort Roman und Luise, die sich, wie mit Hannes vereinbart, uns anschließen. Der Anstieg nach Perdonig und dann weiter bis zum Restaurant Buchenforst treibt uns allen den Schweiß aus den Poren. Geredet wird nicht mehr viel dabei – zu anstrengend und heiß ist es heute.  Nur der Fritz erzählt schon wieder von Fußball ... der EM natürlich. Heute spielt England gegen Kroatien, Österreich gegen Serbien und am Abend Holland gegen die Ukraine. Fritz und Roman sind sich längst einig, wer die aus Sicherheitsgründen nur halbvollen Stadien in London, Bukarest und Amsterdam als Gewinner verlassen werden.

Einige von uns nehmen übrigens elektrische Hilfe in Anspruch. Ich bin nach wie vor Öko-Biker ... stromless sozusagen. Entsprechend bin ich ein wenig langsamer unterwegs,  und jetzt etwas hinten - alleine. Und dabei gehen mir gewisse Dinge durch den Kopf. So Sachen wie das längst fällige Verbot zur Einfahrt dieser Traumschiffe nach Venedig. Ja, Venedig, dieses Juwel, muss sich auch noch erholen. Was heißt muss? Einem Gerücht zufolge sollen im letzten Sommer Delphine in der Lagune gesichtet worden sein ... so ruhig war es.

Die Touristen sind natürlich nicht nur nach Südtirol, sondern auch nach Venedig zurückgekehrt. Nur der Anblick ist schon komisch. Die Menschen auf dem Markusplatz, alle mit Sicherheitsabstand und alle mit Maske. Da fällt mir ein, dass die Gesetzgeber ja eigentlich vergessen haben das 2018 verordnete Vermummungsverbot - wegen der Moslems - aufzuheben.  Auch mit der damals eingeführten Gesichtserkennungs-Software hat die Polizei jetzt so ihre Probleme. Viel Geld für die Fisch! Recht gschiechts imene – denk ich mir.

Beim Thema Webcam fällt mir ein, dass ich im April letzten Jahres den Versuch gestartet hatte zu schauen was in der Welt so abgeht. Oder eben nicht abgeht. Google findet bekanntlich so ziemlich jede Webcam der Welt. Egal welche Stadt, welches Land ... alle Kameras zeigten nichts anderes als leere Straßen. Egal ob in Bozen, Sidney, Quito, New York oder Kapstadt. Am krassesten war aber mit Sicherheit New York – Fifth Avenue und Wall Street. Ja freilich, New York hatte es dramatisch erwischt, hatte die höchsten, statistischen Sterberaten pro Tag. Nicht offiziell, aber man hatte neben den offiziellen Covid19-Toten in den Monaten März und April zehn Mal mehr Verstorbene als im Jahr vorher. Na ja, man geht heute ja davon aus dass 2020 nur in den USA eine halbe Million Menschen an oder mit Corona verstorben sind. Viele Amerikaner machten ihren damaligen Präsidenten Trump dafür verantwortlich, weil er viel zu spät reagiert hätte und danach den anderen die Schuld in die Schuhe geschoben hätte.

Während unsere E-BikerInnen schon auf der Terrasse des Buchenforst in der Sonne sitzen, sperren wir andere unsere traditionellen Mountainbikes ab, und ich wechsle auch gleich mein durchnässtes Trikot.
Aber zumindest haben sie einen schönen Tisch reserviert. Ein Blick wie aus dem Himmel. Links das Etschtal, der Tschögglberg, in der Mitte der Bozner Talkessel, dahinter Ritten, Rosengarten, Kohlern und dann rechts Weiß- und Schwarzhorn, das Überetsch und im Rücken der Mendelkamm. Einfach ein Traum.

Ach wie haben wir es doch schön hier. Nicht umsonst sind die wenigen Touristen, die es sich noch leisten können, eher zu uns gekommen. Touristenburgen mit tausenden von Leuten sind ja selbst jetzt noch keine gute Destination. Und Flugzeuge haben sich mit ihren Klimaanlagen ja auch als Virenschleudern erwiesen.
Unsere eher kleinen Hotels sind da natürlich besser aufgestellt. Und unsere gute Luft, die jetzt leider auch nicht mehr die von 2020 ist, trägt vielleicht auch zur relativ guten Buchungslage in Südtirol bei. Jesolo, Rimini und ähnliche Touristen Hotspots leiden ja immer noch. Die Sonnenschirme am Strand stehen dort so weit auseinander wie schon 40 Jahre nicht mehr. Das hat nicht mit den Vorschriften, sondern auch mit der Buchungslage zu tun.

Während wir auf die Getränke und das bestellte Essen warten, streitet Fritz schon wieder mit seiner Mama Magda. Er sei verschwitzt und solle sich was trockenes anziehen ... und und und ...
Dabei fällt mir auf, dass hier – zumal auch mit Auto erreichbar – früher viel mehr alte Leute gesessen waren. Ja, das ist schon krass wie wir die weggesperrt haben ... oder wegsperren mussten. Risikogruppen waren ja noch schlechter dran als wir. Wir waren zwei Monate „eingesperrt“, weitere zwei Monate im „kontrollierten Auslauf“ und dann immer noch mit Maske und mit Sicherheitsabstand unterwegs. Keine Menschenansammlungen, keine Konzerte, keine Kultur, kein Sport ... alles nur virtuell.
Aber die Alten haben wir einfach weggesperrt und am Ende hatten die zum Teil sogar Angst raus zu gehen.

Roman wirft das leidige Thema während dem Essen auch wieder auf.  Im Herbst, also nach gut sechs Monaten, sei ihm eine etwas schräge Idee gekommen. Speziell aus dem Grund weil es ja noch immer nicht vorbei war. Was wäre gewesen – meint er – wenn wir damals im April und Mai einfach weltweit eine Voll-Quarantäne durchgezogen hätten. Kurz und schmerzvoll ... aber immerhin. Was er damit meine, wirft meine Frau ein. Na ja, sagt Roman ... der Prof. Grenzbacher hat uns ja täglich erklärt: „Sie müssen wissen: Das Virus tötet sie oder sie töten das Virus“. Ja und? fragt Magda. Ganz einfach sagt Roman: Also wenn wir weltweit alle, also wirklich alle, zugleich über einen gewissen Zeitraum zuhause geblieben wären oder zumindest nicht Standort gewechselt hätten, dann wäre das Virus ja ausgestorben. Jene die zu jenem Zeitpunkt nicht infiziert waren, konnten nicht mehr angesteckt werden. Jene die infiziert waren – mit oder ohne Symptome – wären nach drei Wochen immun und virenfrei gewesen. Ein kleiner Rest wäre natürlich auch verstorben. Aber auch diese hätten Corona schließlich mit in den Tod genommen.
Natürlich hätte man das vorbereiten müssen ... Lebensmittel, Grundbedarf und so weiter – meint Roman weiter. Und die Krankenhäuser? wirft Hannes ein. Das wäre natürlich auch eine eigene Quarantäne-Welt gewesen ... so wie in Wuhan ... sieben Stockwerke für Patienten und vier Stockwerke für das Personal. Kein Kontakt nach Außen. Unterwegs gewesen wären sozusagen nur mehr Ärzte, Rettungspersonal und Spezialdienste in Super-Spezialausrüstung. Um etwa schwer erkrankte von den Wohnungen ins Krankenhaus zu bringen oder für andere Notfälle.
Eigentlich gute Idee denk ich mir. Das Virus wäre theoretisch effektiv ausgestorben, weil das Virus zum Überleben ja den Menschen braucht. Wir hätten also nicht über ein Jahr auf diese immer noch nicht vollkommene Herdenimmunität warten müssen. Wir wären spätestens im Juni-Juli wieder vollkommen normal gewesen. Keine Masken, keine Einschränkungen ... Konzerte, Veranstaltungen ... alles wie es immer war. 
Na ja, vielleicht wäre das auch nicht das Wahre gewesen. Die Pause hat der Welt und uns allen eigentlich ja auch gut getan.

Luise – die Frau von Roman - wirft ein, dass wir doch alle spinnen würden. Es wäre ein schöner Traum, aber es wäre nicht umsetzbar gewesen. Wir sollten doch an die unglaublichen Massen von Menschen in Indien denken, an die Flüchtlinge in diesen Auffanglagern und viele anderen Situationen mehr.
Roman meint ... schwierig ja, aber wenn man imstande gewesen wäre die Menschen frühzeitig zu überzeugen, dass man in spätestens zwei Monaten sozusagen „durch“ gewesen wäre, anstatt monatelang - fast jahrelang - mit solchen Beschränkungen zu leben? Ganz abgesehen vom wirtschaftlichen Schaden.

Fritz wirft ein, dass selbst wir „Vecci“ das niemals akzeptiert hätten, wenn man uns das Anfang Februar vorgeschlagen hätte. Nach den Bildern aus der Lombardei vielleicht schon.
Ich denke mir auch, dass es wohl nicht durchführbar gewesen wäre. Auch für ein nächstes Virus ist dieses Szenario nicht sicher anwendbar. Vorher kann man ja nie wissen wie oder wie stark sich ein Virus ausbreitet. Sars, Mers und einige mehr hatten wir ja relativ schnell im Griff. Nur dieses SarsCov2 hat der ganzen Welt eine Schutzmaske verpasst. 

Magda meint wir sollten Thema wechseln. Wer will Kaffee? Fast alle fuchteln irgendwie mit einer Hand oder nicken mit dem Kopf.
Nach dem Liscio oder Macchiato geht´s wieder weiter. Wir radeln über einem Höhenweg Richtung Süden. Anfangs noch länger bergauf, aber dann abwechseln  - ohne großen Höhenunterschied – etwas auf und ab. Wir unterqueren die Mendel-Zahnradbahn und kurven über einen Forstweg in Richtung Kaltern.

Fritz und Roman schlagen noch eine Einkehr vor. Natürlich in einem Garten wo ein ordentlicher Bildschirm hängt. Wir willigen ein, weil der Fritz ja so brav war ... und ich selbst auch zumindest einen Blick auf das Spiel Österreich gegen Serbien werfen will.

Die Serben scheinen Österreich geradezu zu zerlegen. Es sieht nach einer klaren Sache aus. Halbzeit ... wir wollen jetzt doch los, weil wir noch duschen, einen Happen Essen und einige dann auch noch das Spiel Holland gegen die Ukraine nicht versäumen wollen.

Es ist jetzt relativ einfach. Über den Radweg nach Eppan und dann hinunter nach Sigmundskron und weiter nach Hause. Dieses „Nach Hause“ geht mir nicht mehr aus dem Kopf. Immer wieder kommt diese Erinnerung zurück.

Hinein in die gute Stube ... ich dusche zuerst – schießt es aus dem Munde meiner Herzallerliebsten. Der Ton entsprechend ... lieb, aber doch so, dass ein Wiederspruch eh sinnlos wäre.
Meine Smart-Watch verbindet sich automatisch mit dem Wlan und sendet gefahrene Kilometer, Höhenmeter, Zeit, Trittfrequenz, Herzfrequenz, Lufttemperatur und Körpertemperatur auf dieses Fitnessportal hoch. Die Daten befinden sich nun auch auf meinem iPhone. Diese Fitness-App ist automatisch mit dieser Gesundheits-App verbunden ... diese zieht sich die Körpertemperatur-Daten von dieser Fitness-App herüber. Schon wieder der gleiche Scheiß – immer diese Warnhinweise – am Display lese ich 38,1°  ... also theoretisch Fieber. Darunter steht: Ihre erhöhte Körpertemperatur wird gespeichert und an die Gesundheitsbehörde weiter geleitet.  Ich drück dann immer „abbrechen“, weil ich weiß dass es sich um einen Fehler handelt. Passiert fast immer beim Radfahren ... Sonne usw. Unter normalen Umständen und bei kleinsten Symptomen müsste ich mich ja selbst jetzt noch umgehend bei der Corona-Hotline melden. Die App hier ist ja freiwillig, aber bei der zweiten Corona-Welle hat sie dann doch wesentlich dazu beigetragen die Verbreitung „gestibile“ zu machen. Es sind ja immerhin alle Daten verschlüsselt, aber wenn ich mich heute oder in den vergangenen Tagen irgendwo über eine längere Zeit in der Nähe eines anderen „verschlüsselten“ Positiven aufgehalten hätte, würde ich eine entsprechende Mitteilung erhalten. Ich hätte dann jetzt Stufe Orange – Vorstufe zu Rot. Bei Rot würden alle, denen ich begegne, ebenfalls auf ihrer App den Hinweis kriegen dass sie sich grad in der Nähe eines möglicherweise Corona-Positiven befinden. Anfangs war das komisch, aber inzwischen haben wir uns alle auch an diese App gewöhnt. Man wird ja nicht mehr als Aussätziger behandelt; weil die App fehlerhaft ist, weil sie nicht verpflichtend ist und weil ziemlich viele irgendwann einmal richtig oder fälschlicherweise „positiv“ waren.

Dusche ist frei ... tönt es aus der Dusche. Endlich kann auch ich mich meines getrockneten Schweißes entledigen. Es tut gut. Es ist gut. Es war ein schöner Tag. Mit Freunden, bei schönem Wetter ... mit dem Gedanken sich selbst etwas Gutes getan zu haben und sich einen freien Sonntag gegönnt zu haben. Ich hoffe, die anderen denken auch so.

In der Küche hat meine Frau noch eine Kleinigkeit auf den Tisch gezaubert. Mit einem Glas Wein stoßen wir an ... auf diesen einen schönen Tag. Und auf dass noch viele weitere folgen werden.

Ja, wird sind mit uns und der Welt in Ordnung. Es ist eine andere Welt als früher. Mit Betonung auf andere. Nicht besser oder schlechter, aber eben anders. Vieles ist besser, anderes weniger gut. Wir mussten lernen gewisse unangenehme Umstände zu akzeptieren. Wir mussten lernen unscheinbare Dinge mehr Wert zu schätzen. Glücklich-Sein hat heute andere Voraussetzungen. Wir kommen mit weniger besser aus. Die Wertung was wichtig oder weniger wichtig ist, hat sich einfach verschoben – zum Besseren. 

Lass uns froh sein, lass uns Mensch sein, lasst uns leben.

....


 

 

Teil 4

Ein Blick zurück ... in die Welt von vorher - Eine Retrognose!

14.  Juni 2021 
(Kapitel 4 - erstellt 15.5.2020) 

Ich sitze hier unter dieser großen Markise, die der Barbesitzer gar nicht mehr aufrollt. Ich wüsste gar nicht ob das überhaupt noch ginge. Ich kann mich nicht erinnern ob ich diesen Garten hier je ohne Dachplane erlebt habe. Egal ob Winter oder Sommer ... diese Markise war und ist einfach immer „ausgefahren“. Ich könnte den Mauro ja fragen  - Mauro ist der Pächter hier. Aber was sind das für belanglose Fragen? Wen interessiert das? Ist das wichtig? Ist es nicht!
Ich muss auch den „Liscio lungo“ nicht bestellen. Dieser kommt einfach, ohne dass ich darum gebeten hätte. Mauro weiß schließlich, dass ich immer um diese Zeit einen Langen Schwarzen trinke. Und ein Glasl Wasser „del sindaco“ dazu. Dazu lese ich oft Zeitung ... oder ein Buch. Heute ist es ein Buch.  

Fast ausgelesen habe ich es. Es handelt von Szenarien in der Zukunft. „Was passiert mit uns?“ ist der Titel dieses Buches von Cassian Unsinn. Es behandelt Ereignisse die Gesellschaften verändern. Im einzelnen beschreibt Unsinn meistens unvorhersehbare Geschehnisse und deren Auswirkungen auf Mensch und Umwelt. Eines dieser Szenarien ist der Ausbruch einer virologischen Pandemie. Eine Pandemie - das wissen wir spätestens seit vergangenem Jahr – ist eine weltweite Epidemie. Also eine über Ansteckung sich ausbreitende unter Umständen tödlich verlaufende Krankheit für die es aktuell keine schnelle Behandlungsmethode gibt. Er beschreibt was solche und andere Krisensituationen in den Menschen bewirken. Davon ausgehend, dass Wissenschaftler aufgrund ihres Wissensstandes die Entscheidungsträger beraten und beeinflussen, erlassen diese Vorschriften und Verordnungen. Natürlich mit dem Ziel – etwa einer Pandemie – entgegen zu wirken. Diese als freiheitseinschränkende Maßnahmen wahrgenommenen Beschränkungen würden in einer freien Gesellschaft entsprechend diskutiert. Als Entscheidungsträger treten in solchen Notstandssituationen meistens die Regierenden auf. Opposition und Demokratie würden in Konsequenz außer Kraft gesetzt. 
Die Menschen trügen solche Entscheidungen zu einem sehr hohen Prozentsatz widerspruchslos mit, da sie selbst auch keine besseren Lösungen parat hätten oder ihrer gewählten Vertretung vertrauen. Je länger solche Krisen dauern, um so unruhiger würden Bürger. Das habe mit der Aufgeklärtheit und auch mit der Pressefreiheit zu tun. In der Corona-Krise habe das Schimpfwort „Fake-News“ eine komplett neue Dimension erhalten, da je aus Sichtweise immer die „anderen“ Fake-News verbreitet hätten. Die Perversität dieses Spiels gehe auf einige wichtige politische Persönlichkeiten zurück. Auf Silvio Berlusconi in Italien beispielsweise oder auch auf den ehemalige US-Präsidenten Donald Trump. In Notsituationen hätten sie anfangs unbequeme Medien der Lüge bezichtigt. Sie nutzten ihre eigene Social-Media-Kanäle und Medien-Imperien um die eigene Wahrheit zu platzieren. Sie hätten damit jene Unsicherheit erzeugt in welcher die Menschen heute umher irren. Eigentlich wüsste heute niemand mehr was richtig oder falsch, was Wahrheit oder Luge ist. Jede/r hätte heute die Möglichkeit sich seine eigene Wahrheit irgendwo zu besorgen und diese dann ungefiltert zu verbreiten. Es würden heute mehr - nicht belegbare - Thesen in Form von Dokumenten, Videos und Statements zirkulieren als je zuvor, wobei heute kaum mehr feststellbar ist welcher Teil nun Mainstream ist.
Etwas weiter hinten im Buch beschreibt Prof. Unsinn, dass ein Großteil der Menschen sich nie näher oder tiefer mit Inhalten beschäftigen würden. Kurze Statements und Videoclips seien leichter verdaulich und spektakulärer. Das einzelne Individuum verbleibt im Glauben nun die wichtigste Nachricht der Welt in der Hand zu haben und postet sofort weiter um den Empfängern zu signalisieren, dass er das jetzt schon wisse. Die Verbreitung sei natürlich exponentiell. Ziemlich schnell käme diese Nachricht dann nach einer kurzen Reise wieder auf den eigenen Smartphone-Bildschirm zurück und wird dann kaum mehr wahrgenommen. Dass der Urheber inzwischen vielleicht mehr Geld verdient hat, als ein Journalist eines Öffentlich-Rechtlichen Mediums bliebe dabei meist verborgen. In der Flut von News die im Sekundentakt auf die User einprallen sei es heute natürlich unmöglich zu selektieren. Auch seriöse Medien fielen öfters in Fallen die ihnen gelegt würden. Aber wenn die Bürger immer der viel zitierten „Spur des Geldes“ folgen würden, dann gibt es heute überall einen Treffer. Das könne ein Buchautor ebenso sein, wie ein Weltkonzern, Finanzjongleure oder ein YouTube-Star.  Cassian Unsinn plädiert im gesamten Buch für freies und überlegtes Denken. Aber noch mehr müsse das Handeln spezifischer denn je hinterfragt werden. Die Menschen müssten sich noch mehr bewusst werden, was ihr Handeln bewirkt. An der Tankstelle ebenso wie beim Einkauf, beim Weiterleiten von Nachrichten ebenso wie bei der Gestaltung der eigenen Zeit. Jedes Tun habe Konsequenzen ... im positiven wie im negativen.

Im letzten Kapitel - wo ich jetzt grad angelangt bin - geht der Autor noch auf Zahlen und ihre Wirkung ein. Zahlen seien prinzipiell immer nur eine Möglichkeit irgendeinen Umstand zu erklären. Sie seien nur Hilfsmittel um Situationen bildlich klarer darzustellen. Das würden Politiker ebenso nutzen wie Journalisten oder Wissenschaftler. Der Grund auf der anderen Seite liegt daran, dass die Menschen nach Belegen für Entscheidungen verlangen würden. Prof. Unsinn zieht dann als Beispiel die verwirrenden Zahlenspielereien während der Corona-Krise heran. Während dort von Anfang an die wichtigste Zahl gefehlt habe, mussten Entscheidungen aufgrund von Mutmaßungen getroffen werden. Diesbezüglich erinnere ich mich selbst noch ziemlich gut daran. Zu keinem Zeitpunkt gab es gesicherte Zahlen oder Statistiken. Bei den Infektionsraten nicht, bei der Anzahl an Infizierten nicht, bei den Genesenen nicht ... ja selbst bei den Toten war man sich nicht einig, da zuletzt immer mehr über „An“ oder „Mit“ Corona verstorben diskutiert wurde. Auf welcher Grundlage sollten Politiker also Entscheidungen treffen? Selbst unser Landeshauptmann Krompatscher hat im Prinzip einen guten Job gemacht. Jede Entscheidung ohne aussagekräftige Zahlen war ein Lottospiel. Konnte gut gehen, oder konnte falsch sein. Die Meinung unter der Bevölkerung war im Mai letzten Jahres ja dermaßen in zwei Lager gespalten, dass man fast schon Angst kriegen musste. Die einen wollten alles so schnell wie möglich öffnen und zurück in die Vergangenheit. Das andere Lager plädierte für behutsames Vorgehen. Im Lager Eins hatten sich die Wirtschaft und jener Teil der Bevölkerung zusammen gefunden, die von den Beschränkungen einfach die Schnauze voll hatten und mit relativen Zahlen argumentierten. Hier fanden grundverschiedene Seelen zusammen; Grüne, Hoteliers, Unternehmer, Anarchisten oder einfache Systemkritiker. Im Lager Zwei trafen Wissenschaftler, Virologen, Priester, ja selbst Lega-Abgeordnete und Sozialverbände zusammen. Deren Hauptargumente waren nicht in erster Linie die Statistiken, sondern Bilder und Fakten aus den am stärksten betroffenen Gebieten. Die Zahlen waren für beide Lager die selben. Die Interpretation ließ aber beide Meinungen zu. Heute ist es freilich einfach zu sagen, man hätte müssen anders entscheiden.
Cassian Unsinn schließt sein Buch übrigens mit dem Hinweis, dass auch offizielle Zahlen und Statistiken immer zu hinterfragen seien und nicht mit Sicherheit stimmen würden. Wir müssten wissen, dass nur Menschen diese irgendwo eingeben, aufgrund von erhaltenen Notizen. Die XY-Universität sammelt dann diverse solcher Daten von da und dort und versucht ein Bild zu erstellen. Zum Schluss erreichen solche Daten dann RKI oder WHO, die sich auf die Zahlen von XY verlassen müssen. All das sei aber nicht unbedingt die Grundlage für weitsichtige und richtige Entscheidungen - meint Prof. Unsinn. Sein Schlusssatz: „Zahlen sind statisch – das Leben dynamisch. Jede Krise stellt uns vor Herausforderungen, und wir müssen daraus lernen um für das nächste Ereignis gewappnet zu sein. Das kann auch bedeuten bisher festgefahrene Methoden zu hinterfragen und ganz neue – vielleicht unkonventionelle -  Wege zu beschreiten“. Und genau das passiere schließlich auch bei den Menschen. Oft sogar unbewusst und intuitiv – das sei die große Chance.

Sowolla, auch dieses Buch ist nun bereit für das verstaubte Bücherregal. Ich zahle bei Mauro meinen „Liscio“ und mache mich auf den Weg nach Hause. Wobei der Autor viele Fragen offen gelassen hat. Aber ich denke mir, dass das eben die Definition für Schicksal darstellt.  Und trotzdem liegt das Schicksal ein wenig auch in unserer eigenen Hand.

Vielleicht folgt: 15. Juni 2021 – Kapitel 5



Als PDF downloadbar - oder lesbar: http://www.szene.it/subpage/11-Juni-2021.pdf
Oder aufgeteilt in 3 Kapitel - 11. Juni 2021 - 12. Juni 2021 - 13. Juni 2021 -

http://www.szene.it/subpage/11-Juni-2021-K1.pdf

http://www.szene.it/subpage/12-Juni-2021-K2.pdf

http://www.szene.it/subpage/13-Juni-2021-K3.pdf

Kapitel 4 nicht als pdf verfügbar.