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Jojo Mayer & Steinegg Live Big Band
Konzert-Kritik
Jojo Mayer & Steinegg Live Big Band
Konzertkritik - Konzert am 24.10.2013 in Steinegg (Italien)
Jojo Mayer & Steinegg Live Big Band (USA-I-Cuba)
Was darf man erwarten von einem Konzert das als „Tribute to Buddy Rich“ oder „25 Years Anniversary Buddy Rich“ angekündigt wird? Was darf ich mir von „Jojo Mayer & the Steinegg Live Big Band“ erwarten?
Ich bin mit gedämpften Erwartungen die 14 Kehren von Bozen nach Steinegg hochgefahren und war schon nach dem Eingang von der faszinierenden Situation beeindruckt. Ein Saal wie ein Jazzclub, eine Bühne wie im Rockclub und eine Sound- und Lichtanlage wie bei Konzerten in der Stadthalle. Nur alles etwas kleiner, denn die Bühne ist voll. Voll mit Notenständern, Mikrofonen, Schlagzeug und weiteren Verstärkern und technischem Material.
Von mir aus kann es los gehen! Was dann kommt lässt Böses erwarten. Schon bei der ersten Nummer legt die Big Band los als ob in den Garderoben Feuer ausgebrochen wäre. Ein kleinwenig nervös zwar, aber mit einem unglaublichen Drang nach vorne. Hält sie das durch? Und wie! Ab der dritten Nummer glaubt man buchstäblich eine der besten Big Bands vor Augen und Ohren zu haben, die es je bis in unsere Region geschafft haben. Ja, Big Bands mögen dünn gesät sein, aber das was hier abgeht darf mindestens als äußerst „sonderbar“ bezeichnet werden. Die Band hat echt Klasse, wobei eigentlich nicht nur Profis hier ihr Können zeigen. Die ambitionierten Amateure stehen ihren „hauptamtlichen“ Kollegen in kaum etwas nach und machen aus dieser Band ein Jazzensemble der Extraklasse. Das Feuer von nebenan ist jetzt auch auf der Bühne ausgebrochen. Die hinten aufgestellten Trompeten feuern was das Zeug hält, es tönt so voll und knackig, dass man es wohl kaum besser machen kann. In der Reihe davor ziehen die Posaunen und die Bassposaune eine musikalische Show ab die keine Feuerwehr mehr löschen könnte. Fast ganz vorne beeindrucken schließlich die Saxophone mit schneidigen und messerscharfen Begleit- und Solistenparts. Speziell sie umranden schließlich den Star des Abends sehr gekonnt. Der Star ist natürlich Jojo Mayer, einer der besten Schlagzeuger auf diesem Planeten. Er hält sich anfangs zurück, plaudert zwischen dem einen und anderen Song nette Worte ins Publikum, aber es fällt mehr als nur auf, dass er sich in den Dienst des Projekts stellt. Er hat sichtlich Spaß, er spürt, dass die Band funktioniert. Er fühlt, wie wir im Saal, dass heute und hier etwas echt starkes abläuft. Ja, ganz klar, er hält die Truppe zusammen, spielt perfekter als die Uhrwerke seiner ehemaligen Heimat. Und er groovt trotzdem, dass nicht nur mir die Spucke wegbleibt. Buddy Rich hätte mit diesem Burschen garantiert seine Freude. Ich stelle mir vor wie es wohl wäre Buddy Rich und Jojo Mayer zusammen auf einer Bühne zu sehen. Sie würden wohl Lachkrämpfe bekommen, weil der eine vielleicht technisch noch perfekter ist aber der andere weiß, dass er stilistisch kaum zu knacken ist. Am Ende würde wohl keiner mehr wissen wer jetzt was spielt. Fest steht, dass der „junge“ Jojo Mayer dem alten „Buddy Rich“ alle Ehre erweist. Es gibt wohl niemanden auf der Welt der das allerdings so gut hinkriegen würde wie Jojo Mayer. Das wird sich speziell gegen Ende dieses Konzerts zeigen, wenn der Drum-Zauberer dann doch noch mit seinen Sticks und seinen Beinen „Trommelfelle“ und Schlagzeug-Teller zum Schwingen und Singen bringt – ein Schauspiel von höchster Präzision und kreativem Ansatz.
Zurück zur Steinegg Live Big Band, die, je näher das Ende naht, buchstäblich zur Höchstform aufläuft. Der musikalische Leiter und Dirigent Manfred Gampenrieder treibt die Band zu beeindruckenden Leistungen. Schon vorher lädt er einzelne Solisten zu Solis die nie nur dezent sondern immer äußerst virtuos und gekonnt aus den Lautsprechern donnern. Nicht umsonst, so habe ich hinterher erfahren, spielt ein Andreas Marinello als Top-Solist beim HGM Orkestar Zagreb und ist ein Angel Ballester ein mehrfach und weltweit ausgezeichneter und mit Preisen überhäufter Saxophonist. Oder der Trompeter Paolo Trettl in der italienischen Jazz-Szene längst ein sehr gefragter Trompeter. Auch einige andere Musiker verweisen auf verschiedenste Musikprojekte, Jazzbands und CD-Aufnahmen. Fehlt eigentlich nur noch der Rest der Rhythmusgruppe. Der Bassist (Hannes Mair) spielt die durchaus anspruchsvollen Passagen bravourös und der sich meist zurückhaltende Gitarrist (Armin Rottensteiner) zeigt bei seinen Soloeinsätzen, dass er vom Fach ist. Auch der junge Pianist (Ingo Ramoser) macht seine Arbeit gut und scheint sich in den alten fetzigen Jazz-Sound verliebt zu haben. Die Sängerin Sabine Psenner macht während ihres Intermezzos ihre Sache zwar ordentlich, hat aber vielleicht nicht die richtige Stimme für ein derartiges Repertoire.
Wie schon anfangs befürchtet brennt gegen Ende des Konzerts buchstäblich die Bühne. Jojo Mayer trommelt fein und zärtlich, schnell und mit unglaublicher Präzision und dann jazzig und technisch, dass es für theoretische Laien wie mich nicht mehr nachvollziehbar wird. Die Big Band folgt ihm und dem Dirigenten auf den „Stab“ und demonstriert dass wir es hier mit einem erwachsenen Ensemble zu tun haben, das auf sehr hohem technischem Niveau swingt und jazzt, dass auch ein Buddy Rich seine Freude damit gehabt hätte. Das Publikum freilich ebenfalls, denn selbst nach der Zugabe musste sich Jojo Mayer und die Steinegg Live Big Band, die effektiv keine Songs mehr vorbereitet hatte, mehrfach unter tosendem Applaus verneigen.
Zusammenfassend darf ich hier schreiben, dass es einer der tollsten Konzert-Abende war die ich letzthin erleben durfte. Ausschlaggebend war erstens die kompakte Leistung des Ensembles; diese war über lange Stecken exzellent, sie war von einer unglaublichen Lust und Freude getragen und war schließlich so frech, feurig und fetzig, dass selbst Pop- oder Rockfans ihre Freude daran gehabt hätten. Dazu kommt die wunderbare Stimmung im Publikum und diese spannende und einzigartige Atmosphäre, die diesem „berüchtigten Kulturhaus“ von Steinegg schon lange nachgesagt wird.